Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Morgen Verspätung hatte“, fügte ich
trocken hinzu.
Chicken-George
war indes peinlichst berührt. Bei der Ankunft in Los Angeles bat er mich, doch
bitte niemandem von diesem „kleinen“ Zwischenfall zu erzählen und die Sache
auch nicht in meinen Reisebericht für den Veranstalter aufzunehmen.
„Das muss ich
auch gar nicht“, sagte ich kopfschüttelnd. „Dafür werden die Gäste mit
Sicherheit schon sorgen.“
Am Ende jeder
Fahrt bekommen die Reiseteilnehmer einen Fragebogen, mit dessen Hilfe sie die
Reise beurteilen sollen. Kaum einer ließ es sich in diesem Fall nehmen, einen
entsprechenden Kommentar über den schmutzigen Film abzugeben. Es variierte
zwischen „Vielen Dank für die spannende Filmeinlage. Sie sollten wirklich mehr
Pornoreisen veranstalten!“ bis hin zu: „So eine Schande. Unsere Kinder sind
traumatisiert. Sie hören von unserem Anwalt“. Ich konnte es den Leuten nicht
verübeln. Und was George angeht: Der arbeitet seither bei Kentucky Fried
Chicken . Guten Appetit!
Fortsetzung folgt...
Wir
sind wieder dort angekommen, wo die Reise vor vierzehn Tagen begann: in Los
Angeles. Vorbei ist‘s mit dem Urlaub. Jetzt heißt es: Ab nach Hause. Während
sich die „alten“ Gäste am Check-In-Schalter des Flughafens brav in die
Warteschlange reihen, stürmen die „Neuen“ schon aus dem Flugzeug und sehen mit
Spannung ihrem Abenteuer entgegen. Sie haben lange auf diese Reise gespart und
erwarten einen taufrischen Reiseleiter, nicht ahnend, dass der noch vor wenigen
Stunden kurz davor stand, seinen Job zu kündigen. Aber das Rad dreht sich
weiter. Der fliegende Wechsel wird routiniert gemeistert. „Neue Gäste, neues
Glück“ heißt das Motto, und wer weiß, vielleicht verläuft auf der
bevorstehenden Reise ja ausnahmsweise einmal alles nach Plan. Auch ein
Reiseleiter darf mal träumen.
Es wird
zweifelsohne wieder irgendetwas Aufregendes geschehen. Darauf kann ich mich
verlassen. So lange wie es Menschen gibt, die reisen, gibt es auch Geschichten,
die es wert sind, erzählt zu werden. Wir Reiseleiter leben von den kleinen und
von den großen Abenteuern. Sie sind das Salz in unserer Suppe.
An dieser
Stelle möchte ich mich bei all meinen Gästen bedanken, mit denen ich das
Vergnügen hatte, im Laufe der Jahre den Wilden Westen zu durchstreifen. Zwar
kann ich mich an die meisten ihrer Namen nicht mehr erinnern, aber die
Gesichter erkenne ich dennoch wieder. Oft verabschiede ich mich von einer
Gruppe am letzten Tag mit den Worten:
„Denken Sie
daran, man sieht sich im Leben stets zwei Mal!“
Und
tatsächlich: Irgendwo treffe ich unverhofft immer mal wieder auf ein bekanntes
Gesicht. Im März 2007, zum Beispiel. Da war ich selbst als Tourist auf einer
Stadtrundfahrt in Barcelona unterwegs, als plötzlich jemand ruft:
„Hallo Oliver!
Was machen Sie denn hier?“
Es handelte
sich um zwei reizende Damen, die im Herbst zuvor mit mir durch die USA gereist
waren. Im Dezember 2008 traf ich auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt Herrn
Hillmer, dessen USA-Reise schon zehn Jahre zurück lag. Bei einigen Tassen
Glühwein tauschten wir alte Geschichten aus, bis uns die Füße halb erfroren.
Und im letzten Sommer begegnete ich im Venetian Resort in Las Vegas nach zwei
Jahren einem Ehepaar aus Koblenz. Bisher traf ich glücklicherweise immer Gäste,
die ich gern wiedergesehen habe. Mit einer Ausnahme: Dem Ehepaar Klumfuss, das
ausgerechnet an der Supermarktkasse in Hameln hinter mir stand, als ich mich
auf Heimatbesuch befand.
„Ist das nicht
der Reiseleiter aus Amerika?“, hörte ich die Dame flüstern.
„Ach, Schatz,
wie kommst du denn darauf? Das ist doch Unsinn.“
„Doch, das ist
er. Ich bin mir ganz sicher.“
Ich erkannte
die Stimmen sofort. Das Ehepaar Klumfuss hatte mich zwei Wochen lang auf Trab
gehalten. Jeden Tag ließen sie mich irgendwelche Sonderwünsche erfüllen. Mal
wollten sie unbedingt belgische Schokolade, mal eine deutsche Zeitung. Die
beiden bestanden fast täglich auf einen Zimmerwechsel, weil der ihnen
zugeteilte Raum entweder zu klein, zu groß, zu hoch oder zu tief gelegen war.
Und dann wollte Frau Klumfuss zwei Tage vor der Abreise noch unbedingt einen
Straßenhund adoptieren. Da ging mir schlussendlich der Hut hoch. Was zu viel
ist, ist ganz einfach zu viel.
Frau Klumfuss
tippte mir im Supermarkt mit dem Finger auf die Schulter.
„Entschuldigen
Sie. Sind Sie nicht Herr Tappe, unser Reiseleiter vom letzten Jahr?“
Ich drehte
mich um und neigte den Kopf
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