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Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Titel: Horror Factory - Der Behüter(German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte S. Sembten
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waren, aber nicht das Würgehalsband.
    Der Richter fand die Ausführungen der Verteidigung glaubhaft genug, um – in dubio pro reo – einen Freispruch zu verkünden. Erst später erfuhr Alenka aus einem Zeitungskommentar, dass es sich um einen Richter handelte, der noch nie einen Einundzwanzigjährigen nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt hatte. Der noch nie einen Totschläger oder Komatreter ins Gefängnis geschickt hatte. Und der noch jedem Intensivtäter die Bewährung verlängerte.
    Anders gesagt: Bei diesem Gerichtsprozess hatte das Opfer nie den Hauch einer Chance gehabt.
*
    Dauerhafter als die äußeren Verletzungen, die Alenka erlitten hatte, waren die inneren.
    Sie ertrug es nicht, weiterhin am Tatort zu leben, wo sie ständig von der Erinnerung an die Horrornacht überrollt wurde. Also zog sie aus der Wohnung aus. Sie ertrug keine Fahrschüler mehr und verkaufte die Fahrschule.
    Um so lange wie möglich von ihrem Ersparten leben zu können, behielt sie nur das schwere Motorrad aus dem Fuhrpark der Fahrschule und bezog ein preiswertes Mini-Apartment. Dort kapselte sie sich von der Außenwelt ab.
    Ihre Tage vergingen mit Lesen, dem Ansehen von DVDs und mit dem Surfen durchs Internet. Besonders gern las sie neuerdings Rachegeschichten. Und sie sah sich oft Filme an, deren Handlung wenigstens in einer fiktiven Welt Gerechtigkeit walten ließ. Am liebsten mochte sie Streifen wie The Brave One, Death Sentence oder Law Abiding Citizen, in denen die Opfer Vergeltung übten und die Täter Vergeltung zu spüren bekamen.
    Immer wieder googelte sie den Suchbegriff ›Schutzengel‹. Es war wie ein Zwang. Bei den alten Griechen, erfuhr sie, hieß der Schutzengel ›Daimon‹ – Dämon. Auf grimmige Weise gefiel ihr das. Sie fand eine Liste, die einem anhand des Geburtsdatums den Namen des ›persönlichen Schutzengels‹ verriet. Alenka war am 28. März geboren. Demnach hörte ihr Schutzengel auf den Namen Jeliel. Angeblich existierten zweiundsiebzig Schutzengel aus neun Familien. Etwas wenig, fand sie, um sieben Milliarden Menschen mit persönlichen Schutzengeln zu versorgen.
    Aber egal. Sie fand es hilfreich, ihren Schutzengel mit Namen anreden zu können.
    Jeliel! Da bist du ja, du Nulpe!
    Nein …
    Jeliel! Hab ich dich endlich am Schlaffitchen, du Lusche!
    Lahm.
    Jeliel! Jetzt hab ich dich endlich an den Eiern, du Rohrkrepierer!  
    Nun ja. An den Begrüßungsworten würde sie noch feilen müssen.
    Die Abende waren schlimm. Dann kam die Dunkelheit, und die Stunde der Heimsuchung kehrte wieder. Ein unerwartetes Klingeln an der Wohnungstür oder auch nur des Telefons trieb ihr den Angstschweiß aus den Poren.
    Aber am schlimmsten waren die Nächte. Beim Einschlafen ließ Alenka das Licht im Zimmer brennen. Dennoch kamen die Träume – und dann der Augenblick des Erwachens – schweißgebadet, in klammen Laken, um Atem ringend –, in denen die Schmerzen, der Ekel, das Erniedrigungsgefühl, die Todesangst, das vermeintliche Zusichkommen in der Hölle wiederkehrten. Danach versuchte Alenka immer, wach zu bleiben. Sie trank starken Kaffee und surfte durchs Internet, ohne Zeitgefühl und ohne Ziel, wie ein Mensch im Schockzustand, der benommen durch die Stadt streicht und dabei unmerklich immer tiefer in die Slums und die No-Go-Zonen vordringt. Irgendwann inmitten einer dieser durchwachten Nächte, oder eher zwischen Nacht und Morgengrauen, stieß sie auf die Seite .
    Der Name der Homepage war nichtssagend.
    DIE KIRCHE DER BEHÜTER
    Es gab mehrere Menüpunkte. Einer davon lautete:
    Das Sakrament der Offenbarwerdung
    Zur Erklärung hieß es:
    Wie man den Schutzengel zwingt, Fleisch zu werden und sich dem Gesalbten zu offenbaren.
    Mysteriös, dachte Alenka. Es machte sie neugierig. Sie lenkte den Mauszeiger auf den Text und klickte ihn an.
    Statt des erwarteten esoterischen Geschwurbels erschienen Fotos auf dem Bildschirm. Das erste Bild zeigte zwei tätowierte Männerwaden. Alenka scrollte. Sie erblickte tätowierte Knie, Kniekehlen und Schenkel. Einen knackigen Hintern. Tätowiert. Rückenmuskeln. Tätowiert. Tätowierte Lenden, Arme, Bauchmuskeln. Jedes Bild zeigte einen kleinen Teil des nackten, total tätowierten Körpers. Brust, Schultern, Hals, Nacken, Stirn, Kopfhaut. Alenka schätzte den Typ auf etwa vierzig Jahre. Hager, aber athletisch und gut gebaut. Dennoch besaßen die Fotografien nichts Erotisches. Sie wirkten nüchtern, kalt. Klinisch. Wie Fotos in einem medizinischen Lehrbuch. Dazu trug auch bei, dass

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