Horror Factory - Teufelsbrut (German Edition)
diesem Menschenkörper übrig war, genug, um sich der Mutter zu entledigen und das letzte Kind noch unters Volk zu bringen.
Wie viele es geworden waren, hatte er nie gezählt. Er konnte nur hoffen, dass es genug waren. Dass sie genügen würden, um zu wecken, zu locken und zu befreien, woran er selbst nur eine Erinnerung gewesen war – ein Echo des Aufschreis, als sie selbst einst begraben worden waren im Augenblick ihrer Flucht aus den Abgründen von Raum und Zeit, die das erste Volk dieses Landes vereitelt hatte, indem es mit heute längst vergessenen Kräften einen mächtigen Stein vom Himmel herabbeschwor, der sie unter sich begrub – für sehr lange, aber nicht für alle Zeit …
9
Jetzt
Es geschah dreierlei …
Zum einen verbarg sich der Mörder noch im Nebel, und er verspürte Reue.
Der Junge mit den roten Haaren war umsonst gestorben. Er gehörte nicht zu ihnen, zur Brut – er hatte nur die Jacke eines dieser Kinder getragen, und von deren Witterung hatte der Mörder sich täuschen lassen.
Aber vielleicht war auch das eine Fügung des Schicksals. Denn weil ihn die Reue am Tatort hielt, nahm der Mörder neue Witterung auf – und sie war stark, weil sie nicht nur von einem der Kinder, sondern von zweien stammte, die sich beide hier aufhielten und jetzt miteinander verschwanden.
Diese Gelegenheit konnte der Mörder sich nicht entgehen lassen. Sie durften ihm nicht entkommen …
Zum anderen hatte, was die Menschen Zufall nannten, es auch ihn an den Tatort geführt, den kleinen Rest von ihm, der in seinem Wirt verblieben war – vielleicht extra für eine Gelegenheit wie diese. Für den Fall, dass etwas schiefging, das sich aber noch geradebiegen ließ.
So kam es, dass er in einem Augenblick, als er sich eigentlich nur umschaute, den Mörder durch den Nebel huschen sah. Und er sah, wem der Mörder da auf den Fersen war.
Ihn von der Verfolgung abzuhalten, dazu war es zu spät.
Aber vielleicht konnte er ihn rechtzeitig daran hindern, auch noch diese beiden Kinder zu töten …
Und schließlich blieb auch sein plötzliches Verschwinden nicht unbeobachtet – und er selbst blieb nicht ohne Verfolger …
*
Eric folgte Megan Baxter in der kalten, nebligen Nacht durch den Wald. Er fühlte sich wie eingesponnen in ein Netz aus eisigen Fäden, die schmerzhaft auf seiner Haut brannten. Aber es waren nur seine Narben, die gegen die Kälte und jede Bewegung protestierten.
»Ist es noch weit?«, fragte er.
»Nein, wir sind gleich da«, erwiderte sie. »Geht’s noch?« Sie schaute sich kurz nach ihm um. Ob sie ihn im Dunkeln wirklich sehen konnte, wusste er nicht. Offenbar konnte sie es, denn als er zur Antwort nur nickte, richtete sie den Blick wieder nach vorn und schritt zielsicher weiter durch den Nebel, in dem er allein praktisch blind gewesen wäre.
Oder nicht? Hatte nicht auch er das Gefühl, wie von einem Instinkt geleitet zu wissen, wo er den Fuß als Nächstes hinsetzen und welche Richtung er mit jedem Schritt einschlagen musste? Dass seine Nase ihm inmitten des Gemischs aus dem Duft der Bäume und dem Geruch des nebelfeuchten Erdreichs eine Fährte wies, der er auch mit geschlossenen Augen hätte folgen können?
Vielleicht. Ganz konnte er sich des Eindrucks jedenfalls nicht erwehren, dass dies mehr war als nur ein mehr oder weniger gewöhnlicher Spaziergang durch einen nächtlichen Wald.
Aber bevor er weiter darüber nachgrübeln oder gar Fragen stellen konnte, waren sie da. Vor ihnen lag die Lichtung, die Eric schon als Kind mit seinen Eltern aufgesucht hatte, weil jeder, der in Big Rock Falls wohnte, wenigstens einmal hier heraufgewandert sein musste, wo alles begonnen hatte. Und er kannte diesen Ort auch aus den Erzählungen von Sean Walsh, der ihm geschildert hatte, wie es damals gewesen war in jener Nacht, als Callie Gilmore spurlos verschwunden war …
Es gelang ihm, ein neuerliches schmerzhaftes Schaudern zu unterdrücken, und er bemühte sich um einen lockeren Ton, als er fragte: »Okay, und jetzt?«
Megan trat dicht neben ihn. Ihre Arme berührten sich. Megans Blick wanderte über die Lichtung, den flachen Fels, und seine Augen folgten den ihren, als ließe er sich von ihr führen.
»Spürst du etwas?«, fragte sie. Es klang gespannt. Als würde seine Antwort darüber entscheiden, ob er eine Prüfung bestand oder nicht.
Das Gefühl, das ihn auf dem Weg hierher begleitet hatte, stieg von Neuem in ihm auf. Das Gefühl, etwas zu wissen, das er sich eigentlich nicht erklären konnte.
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