hot directions (German Edition)

die Kinder in der Schule ab, damit seine Frau Zeit hat, sich Richter Ulrich Wetzel anzuschauen und ihm beim Mittagessen dann die Ohren vollzulabern, dass die Polizei scheinbar keinen Blick fürs Wesentliche habe, denn sonst wäre die arme Frau Thusnelda Schießmichtoth ja nicht vor Gericht gewesen, wenn die Ermittler gleich ihre Arbeit richtig gemacht hätten. Dann kümmert er sich um die Hausaufgaben der Kinder, fährt alle drei zu verschiedenen Sportvereinen und hat gerade seine Tochter beim Reiten abgegeben, wenn der erste Sohn wieder abgeholt werden muss und die Runde von Neuem beginnt. Last but not least darf er sich dann noch den Streit, ob man denn wirklich schon um zehn ins Bett müsse, wenn doch um 23 Uhr das »Kettensägenmassaker« auf VOX käme, geben und todmüde ins Bett fallen... in dem Wissen, dass sein Wochenende noch zwei volle Tage dauert und er morgen wieder das gleiche Schicksal teilt... und erst am Montag wieder sein erlösendes Büro sieht. Da bin ich wirklich froh, dass ich schwul bin. Wobei, auch da ist es nicht so einfach. Da spielen heranwachsende Jungtucken Zickenkrieg, polieren sich vor einem der Stricherlokale gegenseitig das Freßbrett, andere streiten sich einfach nur um einen Lover und verbreiten die übelsten Gerüchte über den anderen... ich sags ja: »Das ist alles nur Neid, wenns Fötzchen schreit.« Ich kann mich nicht beschweren. ICH habe Sex. Naja, es kann ja auch nicht jeder sooo gut aussehen wie ich.

    Ein kurzer Blick in mein Postfach bei den blauen Seiten verrät mir, dass die Versorgung mit Dates zumindest übers Wochenende gesichert sein dürfte: 33 Nachrichten, davon knapp die Hälfte von Typen, die mit mir gern mal Sex hätten - und ich mit Ihnen. Wenn von den 16 Nachrichten dann die Hälfte - also acht - auf ein Date eingehen, habe ich definitiv ein lustigeres Wochenende als mein Chef. Aber bevor das beginnt, werde ich wohl oder übel arbeiten müssen... sofort schiebt sich der Tote von heute Nacht in das Feld meiner Gedanken. Es ist ja nicht so, dass ich mein Sexleben über meine Arbeit stelle... im Gegenteil. Und auch, wenn ich gerade beschlossen habe, das Opfer meiner »Der-hats-echt-verdient«-Liste hinzuzufügen, einzig und allein aus dem Grund, weil er ausgerechnet mein Date gestört hat, so hat es doch oberste Priorität für mich, den Fall aufzuklären.

    Nach einigen Minuten Aktenstudium bin ich im Bilde. Wenn ich den pathologischen Zwischenbericht richtig verstehe, hat man auf der Kleidung des Toten winzige Fasern gefunden, deren DNA-Analyse allerdings noch aussteht. Außerdem verläuft der Stichkanal der Wunde wohl irgendwie schräg von oben, was eine bestimmte Größe und Körperstatur des Täters vermuten lässt et cetera. Genaue Fakten dazu könne man dem pathologischen Endbericht entnehmen, der so bald als möglich gefertigt werde. Ich ziehe mein Bürotelefon unter dem Aktenstapel hervor und wähle die Nummer der Pathologie.

    »Müller, Gerichtsmedizin«, meldet sich die Stimme einer der Sekretärinnen, die ich kenne.
    »Guten Morgen, hier ist Olaf Bauer, ich rufe an wegen dem Toten im Länderweg heute Nacht«, sage ich und werde zum diensthabenden Kollegen durchgestellt.
    »Götz«, höre ich eine fremde, enthusiastische Stimme, die mir undefinierbar bekannt vorkommt.
    »Olaf Bauer, Kripo Frankfurt, guten Morgen, ich bin der Sachbearbeiter im Todesfall Meyer, können Sie mir sagen, wann ich den pathologischen Endbericht bekommen kann? Gibts denn schon was Neues?« Die Stimme am anderen Ende räuspert sich.
    »Nun, ich bin nur Arzt im Praktikum, Herr Dr. Klepper ist heute leider erkrankt, aber wenn Sie vorbeikommen wollen, kann ich Ihnen ein paar Dinge zeigen, die wohl recht interessant sind«, bietet mir Herr Götz an. Klingt wie ein Angebot, außerdem hört sich seine Stimme nett an... und Horst Brüller hatte irgendwas von einem neuen Arzt erzählt, den ich mir anschauen sollte - also tu ich’s und sage zu, in einer halben Stunde in der Uniklinik zu sein. Dann verabschiede ich mich und lege auf, überlegend, zu welchem Gesicht diese Stimme wohl gehört und in welchem Zusammenhang ich sie kennen gelernt habe - denn ich bin mir ziemlich sicher, zu vertraut ist das warme Timbre in der Stimme.

    Ansonsten steht in der Akte über Wolfram Meyer nur unwichtiger Kram, der meiner Meinung nach nichts mit seinem Tod zu tun hat: dass er Single ist, übrigens seit anderthalb Jahren, dass sein Ex-Freund inzwischen in den USA lebt und in den letzten sechs Wochen