Hotel Mama vorübergehend geschlossen
hatte keine Adresse, wußte nicht, wie groß dieses Papenhusen war, vielleicht gab's ja noch mehr davon, manche Ortsnamen waren im Postleitzahlenbuch ein halbes Dutzend Mal vertreten oder sogar noch öfter, wie also sollte sie jemanden finden, der gar nicht dort wohnte? Hatte Florian nicht gesagt, diese Hermine lebe irgendwo in Bayern? Was ging sie diese Tante überhaupt an? Die kannte sie ja nicht mal. Sollte sich doch Florian darum kümmern, schließlich hatte er sie schon mal erfolgreich abgewimmelt, und seitdem hatten sie ja auch nichts mehr von ihr gehört. Hätte das nicht so bleiben können?
Tinchen griff wieder zum Telefonhörer, tippte auf die Taste mit den eingespeicherten Nummern und wartete. Umsonst, Florian war nicht in seinem Zimmer. Sie versuchte es bei Gerlach. Der war auch nicht da, also Anruf in der Zentrale. Vermutlich sei der Herr Bender in der Druckerei, ob man es mal dort probieren solle? Nein, danke, sagte Tinchen und legte auf. Da unten gab es unzählige Telefone, und bis man den richtigen Apparat gefunden hätte, wäre Florian sowieso schon wieder verschwunden gewesen, das kannte sie schon.
Was nun? Ob Björn eine Idee hatte? Der hatte vorhin mit den beiden Kleinen Memory gespielt, aber jetzt herrschte schon wieder eine ganze Weile Ruhe, und das war meistens verdächtig. Tinchen eilte die Treppe hinauf. Aha, sie waren im Bad. Auch gut, waschreif waren sie beide gewesen, und Björn hatte ja gesagt, er käme damit klar. Sie öffnete leise die Tür und – »Das darf doch nicht wahr sein!« brachte sie mühsam über die Lippen, doch keiner hörte sie.
Mitten im Raum stand Björn, nur mit einer Badehose bekleidet, und schrubbte den sich heftig wehrenden Tim mit einer Wurzelbürste ab; die geöffnete Flasche mit Scheuermilch stand auf dem Waschbecken. »Wenn du einen einzigen Pieps sagst, erzähle ich der Omi doch noch, was du vorhin im Supermarkt gemacht hast, kapiert?«
Tim nickte. »B-bist du b-bald f-fertig?« schluchzte er leise.
»Gleich! Und das nächstemal machst du um die Teermaschine einen Riesenbogen, klar?« Er warf die Bürste ins Waschbecken und gab Tim einen Klaps auf den Po. »So, und jetzt spül dir das Zeug unter der Dusche runter!« Dann ging er zur Badewanne, in der Tanja unter einem Berg von Spielzeug kaum zu sehen war, und drehte den Hahn auf. »Heul nicht, ein bißchen Wasser muß auch mit rein!« Als Björn jedoch Anstalten machte, mit Hilfe des Duschkopfes den Badezimmerboden abzuspritzen, obwohl es gar keinen Abfluß gab, klinkte bei Tinchen etwas aus.
»Seid ihr jetzt alle verrückt geworden? Allmählich komme ich mir vor wie im Irrenhaus! Wahrscheinlich ist es schon lange eins, ich hab's bloß noch nicht gemerkt!« Sie knallte die Tür wieder zu und verbarrikadierte sich in Florians Arbeitszimmer; der war ja nicht da, und für andere galt dieser Raum als Tabuzone. Hatte er hier nicht irgendwo eine Flasche Whisky stehen? Doch bevor sie danach suchen konnte, klingelte schon wieder das Telefon. Diesmal war ihre Mutter dran. »Du glaubst nicht, Ernestine, was sich in der letzten Stunde bei uns abgespielt hat! Mir fehlen noch immer die Worte!«
Sie fehlten ihr dann aber doch nicht, denn sie legte sofort wieder los: »Dorothee will ausziehen! Und weißt du, warum? Weil sie diesen Herrn Voss heiratet! Hinter meinem Rücken haben sie sich getroffen, und das nicht nur einmal! Ich hatte mich ja schon gewundert, daß sie neuerdings so lufthungrig geworden und stundenlang spazierengegangen ist, aber erst heute ist sie damit herausgekommen, daß dieser sogenannte Herr seit einer Woche im Hilton wohnt. Sie heiratet ihn doch sowieso nur wegen des Geldes, oder was meinst du?«
Tinchen meinte gar nichts, es war ihr im Moment auch völlig egal, ob Frau Ka-Ka Herrn Voss heiratete oder den Fürst von Monaco, der hatte ja auch genug Geld, sie wollte nichts hören oder sehen, sondern bloß ihre Ruhe haben. »Mutti, können wir nicht morgen darüber reden? Ich bin jetzt wirklich nicht in der Stimmung dazu.«
»So?« kam es reichlich pikiert zurück, »da hat man nun wirklich mal ein Problem, und dann ist nicht einmal die eigene Tochter bereit, es sich anzuhören.«
»Doch, Mutti, gleich morgen, einverstanden?« Die Antwort wartete sie gar nicht erst ab, sondern legte den Hörer auf. Sie hatte gerade den Whisky gefunden, nur noch kein Glas, als es an der Haustür läutete. Einen Augenblick wartete sie, ob nicht vielleicht Björn öffnen würde, aber der war wohl noch im Bad
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