Hotzenplotz 3
mit Nachdruck vernehmen. „Man hat mich hier unberechtigterweise eingesperrt! Schließen Sie endlich die Tür auf, zum Donnerwetter!“
Kasperl und Seppel, Herr Dimpfelmoser und Großmutter waren so verdattert, als hätten sie eins mit der Feuerpatsche aufs Dach bekommen. Es verging eine ganze Weile, bis sie imstande waren, etwas zu unternehmen.
Herr Dimpfelmoser machte den Anfang, indem er tief Luft holte und den Säbel zog.
„Hotzenplotz!“ rief er mit Donnerstimme, „Sie sind umzingelt! Kommen Sie augenblicklich heraus da — und leisten Sie keinen Widerstand! Haben Sie mich verstanden?“
„Das schon“, sagte Hotzenplotz hinter der Tür. „Bloß — hinauskommen kann ich nicht: Kasperls Großmutter hat mich hier eingesperrt.“
„Kasperls Großmutter?“
Großmutter faßte sich an den Kopf.
„Richtig, Herr Dimpfelmoser — jetzt ist es mir wieder eingefallen!“ Sie blickte voll Stolz in die Runde. „Das hätten Sie mir vermutlich nicht zugetraut, wie?“
„Es ist jedenfalls eine tolle Sache.“
Herr Dimpfelmoser steckte den Säbel weg, zückte den Bleistift und schlug das Notizbuch auf.
„Lassen Sie uns den Vorfall zu Protokoll nehmen!“
Großmutter wollte berichten, wie sie den Räuber kaltblütig überlistet und eingesperrt hatte — doch Hotzenplotz unterbrach sie.
„Aufmachen!“ rief er. „Ich habe es satt hier, zum Kuckuck! Ich bin aus dem Kreisgefängnis entlassen worden, das kann ich sogar beweisen!“
Herr Dimpfelmoser zwinkerte Kasperl und Seppel zu, als wollte er sagen: Der scheint uns für ganz schön dumm zu halten.
„Daß ich nicht lache, Hotzenplotz! Sie — und entlassen? Was Blöderes ist Ihnen wohl nicht eingefallen!“
„Aber es ist die Wahrheit, Herr Oberwachtmeister! Glauben Sie mir doch endlich!“
Herr Dimpfelmoser verschränkte die Arme.
„Zweierlei müssen Sie wissen, Hotzenplotz: erstens bin ich mit Wirkung vom letzten Ersten zum Hauptwachtmeister befördert worden — und zweitens habe ich nicht die geringste Lust, mich mit Ihnen zu unterhalten. Erzählen Sie Ihre Lügengeschichten doch, wem Sie wollen, aber nicht mir!“
„Das sind keine Lügengeschichten!“ beteuerte Hotzenplotz. „Wollen Sie meine Papiere sehen? Sie brauchen bloß aufzusperren, damit ich sie Ihnen zeigen kann!“
Herr Dimpfelmoser ließ sich so schnell nicht hereinlegen. Zu Großmutters, Kasperls und Seppels Erleichterung sagte er kurz und bündig: „Die Tür bleibt natürlich zu.“
„Und der Schein?“ fragte Hotzenplotz. „Mein Entlassungsschein?“
„Notfalls gibt es ja unter der Tür einen Spalt — da können Sie ihn mir durchschieben.“
„Aber natürlich!“ rief Hotzenplotz, und man hörte es seiner Stimme an, wie erleichtert er war. „Das ist die Idee!“
Dann raschelte etwas — und siehe da: durch den Spalt zwischen Tür und Schwelle wurde ein doppelt zusammengefaltetes Stück Papier geschoben. Kasperl und Seppel wollten sich danach bücken, aber Herr Dimpfelmoser hielt sie zurück.
„Das ist Sache der Polizei!“
Er bückte sich höchstpersönlich nach dem Papier, hob es auf und entfaltete es. Dann begann er zu lesen: nicht laut, nur sein Schnurrbart bewegte sich, während er las — und allmählich nahm sein Gesicht einen immer verdutzteren Ausdruck an.
„Was steht drin?“ wollte Kasperl wissen.
Herr Dimpfelmoser öffnete sich den obersten Kragenknopf, er schien Luft zu brauchen.
„Das Schriftstück ist echt, wir müssen ihn leider ‘rauslassen“, sagte er.
„Hotzenplotz?“ fragte Großmutter fassungslos.
„Er ist ordnungsgemäß entlassen: mit Stempel und Unterschrift, wie sich das gehört. Also schließen Sie bitte auf, meine Teuerste.“
Großmutter holte den Schlüssel hervor und steckte ihn, wenn auch zögernd, ins Schlüsselloch. „Auf Ihre Verantwortung!“
Zweimal knackte das Schloß, dann schob sie den Riegel zurück — und fertig.
Kasperl und Seppel hielten den Atem an.
Hotzenplotz klinkte die Tür auf. Er trat ins Freie, den Räuberhut ins Genick geschoben, und blinzelte in die Sonne.
„Wie sind Sie in diesen Garten gekommen?“ herrschte Herr Dimpfelmoser ihn an.
„Durch das Gartentor“, sagte Hotzenplotz.
„Und was haben Sie hier zu suchen?“
„Ich wollte der Großmutter guten Tag sagen — und mich bei ihr entschuldigen. Wegen damals — Sie werden es wohl noch wissen...“
„Und ob ich das weiß!“ rief Herr Dimpfelmoser. „Und wissen Sie, was ich noch weiß? Sobald ich Sie beim geringsten Verstoß
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