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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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Universum schmilzt, der Fluß plätschert um unsere Körper, kühle und warme Strömungen mischen sich in verlorenen Mustern, füllen alle Zeiten und alle Tiefen.
    Ich schwimme gegen den Strom, schaue flußaufwärts, wo der sich windende Flußlauf in einem Nest aus Weiden, Binsen, Pappeln, Schatten und der Sonne, der großen Meisterin des Schattens, ruht. Betrunken liege ich in der Sonne auf dem Handtuch und beobachte mit beginnender Erektion das erotische Ballett der Engländerinnen, die ihre Badeanzüge an- und ausziehen, erhasche mit einem Blick ein wenig Busen, ein wenig Schamhaar, wie ich so oft ein wenig Busen und ein wenig Schamhaar der Schwestern erhascht habe, wenn sie im
House of God
vor meinen Augen ihre Uniformen an- oder auszogen. Betrunken grübele ich manchmal über den Zustand meiner Leber nach und denke an alle die Zirrhosen, die ich habe gelb werden und sterben sehen. Entweder verbluten sie, delirieren, husten und ertrinken in ihrem Blut, wenn die Ösophagusvenen platzen, oder sie sterben im Koma, gleiten weg, gleiten selig den gelbgepflasterten, nach Ammoniak stinkenden Weg hinunter ins Vergessen. Ich schwitze, und es läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Berry wird schöner denn je. Dieser Wein gibt mir das Gefühl, in Fruchtwasser zu baden, atemlos, vom Nabelschnurblut ernährt, fötal, glitschig und taumelnd in der Wärme des pulsierenden Leibes, in warmen Amnion, Warmnion.
    Alkohol half im
House of God,
und ich denke an Chuck, meinen besten Freund, den schwarzen
Intern
aus Memphis, der immer einen halben Liter Jack Daniels in seiner schwarzen Tasche hatte, für jene bitteren Stunden, wenn ihm die Gomers ganz besonders zugesetzt hatten. Oder das intrigante Lehrpersonal des Hauses, der
Chief Resident
oder der
Chief of Medicine
selbst, der ihn stets behandelte, als wäre er ein minderwertiger Analphabet, obwohl er hochintelligent und gebildet war und außerdem ein besserer Arzt als irgendein anderer im ganzen
House.
Und in meiner Trunkenheit finde ich es furchtbar traurig, was Chuck im
House
widerfahren ist. Als ich ihn kennenlernte, war er fröhlich und amüsant, jetzt ist er traurig und verdrießlich. Sie haben ihn gebrochen. Er läuft mit demselben halb zornigen, halb gedemütigten Blick herum, den ich gestern im französischen Fernsehen bei Nixon bemerkt habe, als er nach seiner Rücktrittserklärung an der Treppe zum Hubschrauber auf dem Rasen des Weißen Hauses stand und mit den Fingern ein pathetisches, unangebrachtes V(für Versagen)-Zeichen machte, bevor sich die Türen hinter ihm schlossen, die Filipinos den roten Teppich einrollten und Jerry Ford, eher verblüfft als beeindruckt, den Arm um seine Frau legte und sich langsam zur Präsidentschaft zurückbegab. Die Gomers, diese Gomers …
    »Verdammt, alles erinnert dich an die Gomers«, sagt Berry.
    »Ich habe gar nicht gemerkt, daß ich laut denke.«
    »Das merkst du nie, aber du tust es ständig. Nixon, Gomers. Vergiß die Gomers! Hier gibt es keine.«
    Ich weiß, daß sie sich irrt. An einem herrlichen, trägen Tag schlendere ich den verschlafenen, gewundenen Weg vom Friedhof zum Dorf hinunter, mit Blick über das Schloß, die Kirche, die prähistorischen Höhlen, den Marktplatz und weit unten das Flußtal, über die Spielzeugpappeln und die romanische Brücke, die den Weg markieren, und weit über unseren Fluß, den Sohn des Gletschers, den Schöpfer all dieser Dinge. Ich bin diesen Weg am Kamm entlang bisher noch nie gegangen. Langsam entspanne ich mich, kenne wieder, was ich früher kannte, den Frieden, die regenbogengleiche Vollkommenheit des Nichtstuns. Die Natur ist so üppig, daß die Vögel gar nicht alle reifen Brombeeren holen können. Ich bleibe stehen und pflücke mir welche. Saftiger Staub in meinem Mund. Meine Sandalen schlappen auf dem Asphalt. Ich sehe, wie sich die Blumen in Farben und Formen überbieten, um die Bienen anzulocken. Zum ersten Mal seit einem Jahr habe ich Frieden. Nichts in der Welt ist Anstrengung, alles ist natürlich, heil und gesund.
    Ich biege um eine Ecke und sehe ein großes Gebäude wie ein Altersheim oder Krankenhaus. »Hospice« steht über dem Eingang. Ich bekomme eine Gänsehaut, meine Nackenhaare sträuben sich, meine Zähne beißen sich fest zusammen. Da sind sie. Man hat sie in die Sonne hinausgesetzt, in einen kleinen Garten. Das Weiß ihrer Haare läßt sie im Grün des Gartens wie Pusteblumen auf der Wiese aussehen. Als warteten sie auf den Wind, der sie fortbläst. Gomers.

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