Hüftkreisen mit Nancy
Affront gegen die allseits beglaubigte Tatsache der deutschen Teilung. Eigentlich aber Redakteuse. Eine Großraumbuchtenexistenz mit eigener Teetasse. Weiß der Teufel, was sie hier zu suchen hatte. Jemand blies mir in den Nacken. «Schätzchen, jetzt binden sie dir die Eier hoch!» Nergez. Ich drehte mich um. «Weißt du, was die wollen?»
«Jetzt spiel hier nicht den Ahnungslosen. Du hast mir die Unschuld geraubt. Und zwar vor allen Leuten.»
«Nee, nich?»
«Doch, doch. Erinnerst du dich nicht mehr, was du alles mit mir angestellt hast?» Sie hob ihren Zeigefinger und tippte mir zwischen die Augen. «Hier. In deinem Oberstübchen.» Sie fasste mich bei den Ohren und rief: «Ich weiß, dass ich da drin bin! Was tust du gerade mit mir?»
Ich wehrte sie ab. «Hör auf mit dem Quatsch. Mir ist jetzt nicht nach Witzen.»
Kruschik beugte sich zu Siegrun Wedemeyer und wies auf uns. Nergez roch säuerlich nach dem ewigen Zuwenigessen. «Nur, dass du es weißt: Bettina hat gehört, wie Kruschik sich bei Chef beschwert hat. Und die Wedemeyer ist irgendeine Ombudsfrau. So sind die Tatsachen, Schätzchen. Jetzt will ich dich winseln und um Gnade flehen hören.» Nergez kniff die Augen zusammen. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich Nergez richtig eingeschätzt hatte. Chef erschien und bat die Wedemeyern und Kruschik förmlich ins Büro, uns winkte er mit knapper Geste hinterdrein.Zumindest schien Nergez nicht offiziell zur dunklen Seite zu gehören.
Chef wies uns an den Tisch und holte sich selbst einen Stuhl, um der Angelegenheit nicht hinter seiner Cheftheke vom Chefsessel aus vorsitzen zu müssen. Ganz Teambildner, Gefühle-Zulasser und ehrlicher Makler. «Ihr kennt mich», behauptete Chef, «ich bin für manchen Spaß zu haben. Aber Spaß muss Spaß bleiben. Kurz gesagt, wenn der Spaß anfängt, die Arbeit der Kollegen zu beeinträchtigen, dann, und ich sage das hier ganz frei heraus, dann hört der Spaß für mich auf.» Dann lehnte er sich zurück. Kunstpause nach Dr. Leaderships Rhetorikseminar.
«Danke. Gut, dass das mal gesagt wurde!», sagte ich. «Kann ich jetzt gehen? Ich hab eine Menge zu tun.»
Siegrun Wedemeyer verzog unwillig ihren Mund. «Herr Krenke! Sie scheinen das alles nicht sonderlich ernst zu nehmen. Aber ich als Gleichstellungsbeauftragte des Senders bin nicht hierhergebeten worden, um mir Flapsigkeiten aus Ihrem Mund anzuhören. Mir liegen Beschwerden vor, dass Sie Ihre Mitmenschen in diesem Haus in nicht mehr hinzunehmender Weise verbal sexuell belästigen.»
Ich sah Nergez an, und sie nickte mit kindlicher Ernsthaftigkeit. Ich sah Kruschik an, aber Kruschik sah durch mich hindurch. «Da bin ich ja mal gespannt. Ich kann mich nämlich an nichts dergleichen erinnern.»
Siegrun Wedemeyer wiegte ihre Schüttelfrisur und buchte innerlich irgendwas auf ein Pluskonto. «Ich denke, hier sitzen zwei Menschen, die Ihrem Erinnerungsvermögen gleich auf die Sprünge helfen werden.»
Mich wundert manchmal, welche zähnefletschende Metaphorik in manchen Frauen so am Abzug sitzt.
«Frau Bülcyn, erzählen Sie uns doch mal, was Ihnen Herr Krenke vor drei Tagen über seine Phantasien mitgeteilt hat.»
Nergez zupfte an ihrer Strickjacke, blinkerte ein bisschen vor Aufregung und sagte dann sehr beflissen: «Er hat mir gesagt, dass er sich vorstellt, wie er mit mir intimen Umgang hat …»
Siegrun Wedemeyer drehte ihren Kopf jetzt eulenartig zu mir: «Das Auslösen von Vorstellungen intimen Inhalts bei Menschen, die nicht darum gebeten haben, ist eine der Definitionen von sexueller Belästigung nach Lahmers und Grechout. Ich muss Ihnen nicht extra erklären, welche Zumutung das für eine junge Frau aus einer Kultur mit viel höheren Schamstandards als den mitteleuropäischen bedeutet.»
Mir wurde doch etwas bang ums Herz. Nicht, dass Nergez unser stillschweigendes Einverständnis stillschweigend aufgelöst hatte. Nicht, dass aus dieser Farce tatsächlich ein förmliches Verfahren wurde. Chef rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und versuchte dringend, Kruschik das Wort zu erteilen. «Mich würde ja in dem Zusammenhang mal Norberts Version …»
Doch Siegrun Wedemeyer genoss ihren Weise-Frauen-Geständniszauber viel zu sehr, um jetzt abzugeben. «Frau Bülcyn, wie haben Sie sich da gefühlt?»
Nergez hob den Kopf und sah mich unverwandt an. «Ich habe ihn sofort zur Rede gestellt und ihn aufgefordert …»
«Aber er hat nicht darauf reagiert?»
«Nicht
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