Hüftkreisen mit Nancy
wirklich.»
«Norbert», hakte Chef ein, der wohl ahnte, dass Nergez’ altosmanische Schamstandards bei weitem nicht so hochwaren, wie Siegrun Wedemeyer annahm. Aber Kruschik kam nicht zu Wort.
«Ich habe ihm gesagt, er soll mir sofort sagen, was genau er sich vorstellt.»
«Na, kommt Ihre Erinnerung wieder, Herr Krenke?», frohlockte die Wedemeyern. Es war ihr vorerst letzter Triumph, denn Nergez erfuchtelte sich weiter Aufmerksamkeit.
«Ich habe ihm in aller Deutlichkeit gesagt, dass ich wissen will, was genau er sich da vorstellt! Von vorn, von hinten oder verkehrt herum, allein oder mit ein paar Freunden und/oder schwerem Gerät. Kuschelsex oder die heftige Tour. Aber da war er plötzlich ganz kleinlaut, der saubere Herr Kollege.»
«Das hat Sie empört?», fragte Siegrun Wedemeyer noch etwas entgeistert hinterdrein, aber ihr zuckendes Gesicht verriet, dass sie bereits verstanden hatte. Nergez schob ihr Dekolleté mit der Strickjacke zusammen und rümpfte kurz die scharfe Nase. Ich liebte sie. Mangosaft wollte ich von ihrem Rücken lecken. Falls es ihre Brüder erlaubten. «Am meisten hat mich empört, dass er gesagt hat, er konnte sich nur am Anfang vorstellen, es mit mir zu machen. Jetzt nicht mehr. Möchten Sie eine Frau sein, bei der ein Mann sich nichts mehr vorstellen kann?», rührte Nergez an den wundesten Punkt, an den im Umkreis von zehn Meilen zu rühren war, und schloss schnippisch: «Ich sage mal: Abmahnung ist ja wohl das Mindeste.»
«Norbert», sagte Chef, und es klang wie amen, «Kollege Norbert Kruschik hat wohl noch eine Sichtweise zu bieten, die über diese zweifelhafte Vorstellung hinausgeht. Ich versuche erst gar nicht, herauszufinden, was dich, Nergez, die ich viele Jahre schon als couragierte und engagierte (damitwar sein Französisch fürs Erste alle) Autorin kenne, bewogen hat, hier so aufzutreten. Und für dich, lieber Max, hoffe ich, dass sich deine Frau Dorit, die ich ja auch gut kenne, nicht wirklich Sorgen machen muss.»
Die Stalin-Wiedergänger-These begann überraschend schnell auszuhärten. Väterchen Chef kennt sie alle noch von früher. Herrjemine. Was ist nur aus ihnen geworden. Alles Abweichler. Kopfschüttelnd unterschreibt er die Hinrichtungslisten.
«Ich weiß schon, dass die beiden hier alles tun, um das ins Lächerliche zu zerren», beschwerte Kruschik sich jetzt sehr gefasst, «aber ihr seid im Büro nicht allein. Ich muss euch zuhören. Und ich finde es, verzeiht mir die Offenheit, abstoßend. Ja, abstoßend. Ich möchte hier meine Arbeit tun, und ich komme nicht Tag für Tag hierher, um mir euren Unterhosenkram anzuhören.»
Die paar Sätze hatten gereicht, um Siegrun Wedemeyer wieder auf Zack zu bringen. Sie warf Nergez einen Blick frauensolidarischer Enttäuschung zu und konzentrierte sich dann auf den Notizblock vor sich. «Ich danke Herrn Kruschik. Es geht hier nicht um eine Sache zwischen zweien. Es geht auch und vor allem um sexuelle Belästigung Dritter. Wer dies in der Öffentlichkeit eines Büros tut, tut dies allen an.»
Ich lehnte mich weit zurück und verschränkte meine Arme hinter dem Kopf. «Kneifen Sie mich mal. Ist das jetzt die neue Masche nach Rauchverbot und Secondhand-Smoke: sexuelle Belästigung Dritter? Wo soll denn das hinführen? Kommste mit ins Schweinereienabteil, mal fünf Minuten über Sex quatschen?»
Siegrun Wedemeyer kritzelte etwas Unleserliches auf ihrenBlock und deutete dann mit dem Kugelschreiber auf mich. «Was Sie da gerade machen, ist eine Axilla-Präsentation. Sie zeigen uns Ihre Achseln. Sie machen sich optisch größer und breiter. Sie wollen, dass wir Ihre Pheromone, Ihre männlichen Sexuallockstoffe, schnuppern. Könnten Sie das bitte lassen?»
Ich klappte sofort zusammen.
«Kennen Sie den Begriff Spiegelneuronen, Herr Krenke?»
Ja, Herr Krenke kennt den Begriff. Ich dachte immer, dass gemeinsames Wissen einander sympathisch machen müsste. Aber hier war es mal anders. Man sollte Berechtigungsscheine für bestimmte Erkenntnisse ausgeben. So wäre zu verhindern, dass Unberufene aus den Preziosen der avancierten Wissenschaften ständig Unheil schmieden. Jetzt müssen die armen Spiegelneuronen zur Begründung für Tante Wedemeyers talibanesken Sittenkodex herhalten.
«Jeder Mensch hat Spiegelneuronen im Gehirn», dozierte Siegrun Wedemeyer, in die Runde blickend, fort, «Neuronen, die uns Handlungen anderer, dazu zählen auch Worte oder Gesten, nachvollziehen lassen. Sie sind der Grund dafür, dass wir uns
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