Hüftkreisen mit Nancy
aus der Tiefe, die sich öffneten wie Vogelschwingen und den Blick auf sie freigegeben hätten, wenn sie sich nicht im selben Moment umgedreht hätte. Flash. Es war phantastisch. Ich pfiff, dass es von den Wänden gellte. So eine Show und nur für mich! Das Ungenügen wich aus meinem Leben. Dem Tod fiel seine Stoppuhr in den Dreck. Nancy lächelte, fächelte sich langsam zurück nach unten und kam als Vamp, dann als Jungfrau, als Honey, als Pin-up-Girl wieder und wieder.
Dann traf mich ein Lichstrahl. Es funzelte durch die dunklen Weiten der Fabrikhalle. Eine vierschrötige Gestalt löste sich aus dem Blauschwarz. Ein Wachschutzmann. Ich hatte ihn wegen der wummernden Musik nicht kommen hören. Der Wachschutzmann stammte direkt aus der Wachschutzmannn-Norm-Presse:Renteneintrittsalter, Schnauzbart, wahrscheinlich noch Leberwurstreste im Mundwinkel. Er sprach mit kräftiger Stimme und der tiefsitzenden Mundart von Menschen, für die Hochdeutsch genauso eine Kunstsprache ist wie Esperanto.
«Hallo! Sie da! Was haben se hier zu suchen! Das ist Privatbesitz!» Seine langsame und angespannte Gangart ließ erkennen, dass er mit meiner sofortigen Flucht rechnete. Doch dem war nicht so. «Psst! Ruhe! Sind Sie wahnsinnig? Schreien Sie hier doch nicht rum!», zischte ich ihn an und machte eine hektisch abwehrende Bewegung mit der Hand. Der Mangel an Respekt verschlug dem Wachschutzmann fast den Atem. Er schüttelte sich kurz, als könne er nicht glauben, was er eben gehört hatte. Dann erteilte ihm seine Berufsehre den Befehl zum Zugriff. «Pass mal auf, du Penner!» In null Komma nichts war er hinter mir und hatte mich im Schwitzkasten. Ich ließ es geschehen, was er so toll fand, dass er gleich noch fester zudrückte.
Die Musik kam wieder aus dem Stock unter uns hochgefahren. Ich hatte keine Not. Jetzt nicht. Das war meine Show. «Wenn Sie keinen Krach machen, dürfen Sie noch die letzte Runde mitgucken», presste ich hervor. Der Wachschutzmann wollte etwas knurren, aber er kam nicht mehr dazu, denn in diesem Moment erschien Nancy wieder in der Luke und war quasi nur noch in ein schwarzes Band gewickelt. Sie machte mit großer Geste «Traraa!». Der Griff des Wachschutzmanns erschlaffte, während er irgendwas wie «Du lieber Gott!» murmelte. Nancy blinkerte mit den Augen, schwenkte ihren Unterleib nach links und nach rechts und schlug ihn nach vorn, dass einem ganz Lady Bump wurde, dann ward sie unseren Blicken enthoben. Der Wachschutzmannließ mich genauso plötzlich frei, wie er mich umklammert hatte. «So was müssen se anmelden», sagte er betroffen.
«So was kann man nicht anmelden!», erwiderte ich.
Der Wachschutz schwieg verdattert. «Machen se wenigstens die Zigarette aus», schnaufte er endlich. «Brandschutz!» Er loderte selbst schon ein bisschen. Nancys Pumps und ihre schönen Waden erschienen wieder oben in der Luke und zogen den Rest nach unten. Ihr Hintern war einfach perfekt. Ich sagte: «Danke. Das war’s!», und sprang zu Nancy in den Paternoster. «Lass uns Schluss machen. Ein Typ vom Wachschutz ist da.»
«Schade», sagte Nancy, «ich hatte noch so eine tolle Idee. So Isadora-Duncan-mäßig, der Lift zieht das Tuch ab.»
Wir rumpelten mit dem alten Paternoster nach unten. Obwohl es in der Enge eines Fahrstuhls geboten ist, den Blick irgendwo an der Wand oder der Decke aufzuhängen, sah ich sie an, und sie sah mich an. Zwei sehr ruhige Sekunden lang.
«Na?», sagte Nancy.
Ich wollte sie lieber noch ein bisschen ansehen.
«War schön», sagte ich schließlich. Dann hüpfte ich aus dem Lift, und auch Nancy machte mit ihren Pumps einen großen, gewagten Schritt und war draußen. Sie stöckelte zu ihren Koffern und befahl «Umdrehen!», was ich nach einer halben Stunde extremer Blöße sehr skurril fand. Ich drehte mich um und hörte, wie Nancy sich die Bänder abriss.
«Was ist das, womit du dich eingewickelt hast?»
«Ach, so Sportler-Tape. Kann man lustige Sachen mit machen.»
«Lustige? Du meinst erotische?»
«Für dich erotisch, für mich lustig!»
«Wie meinst du das?»
«Ich finde mich nicht erotisch, du findest mich erotisch. Ich finde es lustig. Arschwackeln ist doch lustig.»
«Du machst das nur zum Spaß?»
«Ich bin gern schön. Ich werde gern bewundert. Und ich habe gern genug Geld», sagte Nancy sachlich und klappte die Koffer zu, «kannst dich wieder umdrehen.»
Ich merkte mit einem leichten Stich, dass Nancy das Distanzmanagement tatsächlich beherrschte. Vielleicht war es
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