Hüftkreisen mit Nancy
es schön. Sehr förmlich lehnte ich mich an den Tisch neben ihr und verschränkte die Arme. Es war Zeit, zu handeln. «Hast du dich jemals mit Kryptografie, mit Chiffrierkunst, beschäftigt, Nergez?»
«Nein, Schätzchen, ich bin so dumm, dass man mir ein X für ein U vormachen kann. Nergez grinste breit. Kruschik tat noch so, als würde er sich für die Expertenliste auf seinem Computer interessieren.
«Genau darum geht es», fuhr ich fort. «Eine der einfachsten und doch zuverlässigsten Verschlüsselungsmethoden in der Frühzeit der Kryptografie bestand darin, die Botschaften in einem unauffälligen Text zu verstecken, nachdem man zuvor den Empfänger mit einem Zahlencode ausgerüstet hatte.»
«Wenn du so lange Sätze sagen willst, sprich mir das mal lieber auf meinen Anrufbeantworter. Da kann ich es mir wenigstens nochmal anhören», flötete Nergez kunstdumm.
«Wann ist deine Mutter geboren?»
«1946», antwortete Nergez, unsicher, ob sie mit dem Alter ihrer Mutter Rückschlüsse auf ihr eigenes zugelassen hatte.Nergez war für traditionelle türkische Verhältnisse in einem Alter unverheiratet, in dem die Gründe dafür fast nur noch aus der Medizin stammen durften.
«Mit so einem Zahlencode, beispielsweise dem Geburtsjahr deiner Mutter, könntest du dich jetzt jedem Text nähern und dir die Buchstaben raussuchen, die an den jeweiligen Stellen der einzelnen Sätze stehen.»
Kruschik versuchte bloß noch, so zu tun, als interessiere er sich für seinen Computer. Nergez grinste. «Das heißt, dass nur diejenigen, die wissen, wann meine Mutter geboren wurde, mir Botschaften übermitteln können. Der Rest guckt in die Röhre?»
Kruschiks Aknenarben verwandelten sich in kleine rotglühende Vulkane.
«So ist es, Nergez! Auf diese Weise kann man Botschaften beliebigen (ich dehnte das Wort genüsslich) Inhalts austauschen, ohne dass andere etwas davon mitkriegen.»
«Erzähl mir mehr davon. Das klingt ja hoch spannend.»
«Ja», sagte ich. «Das könnte ich eigentlich mal machen.»
Dann schwiegen wir lange. Kruschik stöhnte leise auf vor Anspannung. Nergez zückte einen Stift, zog sich ein Blatt Papier aus dem Drucker, setzte sich in Diktatposition und sah mich an. Ich blickte ins Leere, hob schließlich den Kopf und sagte langsam mit großen Pausen: «Ich lese gerade ein Buch über Codeknacker des zwanzigsten Jahrhunderts. Ungemein spannend für unsere Generation finde ich die Stelle über die Chiffriermaschine der Nazis. Selbst einem wie mir läuft es da kalt über den Rücken. Der britische Geheimdienst hatte echt manchmal einfach nur Glück bei der Suche nach dem Code der
Enigma
. Vor allem der U-Boot -Krieg wäre wohl anders verlaufen. Die deutschen Unterseebootebeherrschten von der Isle of Man bis hoch nach Island die Gewässer. Erst Churchills persönliches «Go» in dieser Sache gab dem Ganzen Ziel und Richtung. Dem deutschen Funkverkehr kryptologisch den Saft abzudrehen, war absolut kriegsentscheidend. Von zwölf U-Boot -Versorgungstankern konnten neun durch die so gewonnene Kenntnis ihrer Aufenthaltsorte versenkt werden. Um dir ein weiteres Beispiel zu geben, das deinem Vorstellungsvermögen angemessen ist: So unmittelbar im Rücken der Deutschen dank des Wissens um ihre genauen Positionen eine Unmenge an Fallschirmtruppen absetzen zu können, hat der Landungsoperation am D-Day viel Blut gespart. Die Deutschen hielten in kaum zu glaubender Selbstüberschätzung die
Enigma
für unentschlüsselbar, und auch ihr eigener Geheimdienst hatte von der Enthüllung des Codes keine Ahnung. Lecken tat nämlich der britische Geheimdienstapparat zu keiner Zeit.»
Ich atmete durch. Es hatte mich angestrengt, das alles aus dem Kopf herzusagen. Ich hatte das erste Mal seit langem das Gefühl, dass meine gerade im Sprachlichen schier unglaubliche Hochbegabung nicht alles mit derselben Leichtigkeit überwand.
Nergez brauchte etwas länger mit dem Schreiben, machte dann aber einen Punkt und begann mit dem Stift über die Sätze zu zählen. Kruschik hatte zu tippen aufgehört, und völlig an den Bildschirm gefesselt, wischte und klickte er mit der Maus herum. Es war ein feiner, leiser, aber heftiger Wettlauf, mit stumm stammelnden Lippen und über den Text zuckenden Augen. In dieser äußersten Konzentration bemerkte keiner von den beiden, dass die Tür hinter ihnen sich geräuschlos öffnete und die Sekretärin vorsichtig hereinkam,mit einer kleinen Torte in den Händen, und hinter ihr, schmunzelnd und mit dem
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