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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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das, was uns schweigen ließ, während ich sie in die Stadt fuhr. Am Georgsplatz hielt ich wieder an. Der Platz war leer. Es war halb eins. Wir seufzten ein paar Tjas, um uns auf den Abschied vorzubereiten. Dann holte Nancy tief Luft. «Du bist ein kluger Mann», sagte sie unvermittelt. «Viel klüger als die meisten. Du denkst bloß, du darfst nichts. Du darfst aber. Dann bist du wirklich großartig. Ich sag das nicht so daher. Du darfst alles, verstehst du?»
    Mir wurde etwas komisch vor lauter Ermunterung. «Heißt das, ich darf dich jetzt küssen?»
    Nancy tippte sich mit der Fingerspitze auf die Oberlippe, wie um zu prüfen, ob der Lippengloss noch drauf war. Dann sah sie nach oben an die Sonnenblende. «Dürftest du. Aber das willst du ja gar nicht.» Sie wartete noch ein Weilchen, sah mich schließlich von der Seite an, küsste zwei Finger ihrer linken Hand und hielt sie mir hin. Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, tat aber schließlich dasselbe und legte meine Finger gegen ihre. Das war’s. Sie stieg aus, öffnete die hintere Tür, zerrte ihre Koffer vom Rücksitz und ging. Nach drei Metern blieb sie stehen, legte noch einmal den Kopf schräg, lächelte und sagte: «Pass auf dein Becken auf!» Dann setzte sie ihren Weg fort. Die Koffer waren schwer. Nancywar klein. Aber sie ging wie eine große Dame. Das musste sie sehr, sehr lange geübt haben.
    Weiter hinten an der Hauptpost kämpften zwei Betrunkene sich gegen den Wind ihrer Trunkenheit nach Hause.
     
    Wieder zu Hause, hängte ich meine Jacke an den Haken und ging geradewegs ins Schlafzimmer, als wäre ich nicht schon seit Wochen dort ausquartiert.
    Dorit lag da und schlief nicht. Ich sah es. Ich sah ihre prächtigen Hüften und den ruhigen Gang ihres Atems. Aber ich wusste: Sie hatte die Augen offen und starrte in eine böse Zukunft. Ich setzte mich vorsichtig aufs Bett, wie es nahe Verwandte bei Kranken tun.
    «Na, war’s schön?», fragte Dorit klar und kalt, ohne sich zu bewegen.
    «Ja», sagte ich.
    «Ich liebe dich», sagte ich dazu.
    «Musstest du das tun, um das wissen?», fragte sie schnell. Schnell genug, bevor ihr der Hals vor Leid zuging.
    «Ja», sagte ich. «Ich wollte wissen, ob man in meinem Alter noch Spaß haben kann, ohne jemanden zu belasten!»
    «Max», sagte Dorit böse, «das ist hier nicht irgendeine Joghurt-Werbung. Das ist unser Leben. Ich dachte immer, du wärst anders.»
    Gekränkt stand ich auf.
    «Ich dachte, du wärst keiner dieser Typen, die sich plötzlich Motorräder kaufen und so einen Quatsch. Ich dachte, du hättest den Mumm, einfach so alt zu werden.»
    Dann sagte Dorit nichts mehr. Sie mochte Worte nicht so sehr wie ich. Ich hatte schon Lust, mich zu ihr zu legen, aber ich musste noch warten. Wir schwiegen ins Blaueder Nacht. Die Kinder in ihren Zimmern schliefen. Mascha wälzte sich schlafend herum und nahm dabei ihr Schnuffeltuch mit, damit sie morgen was zum Wundern hätte. Konrad stöhnte und schob sich durch Träume, in denen Kim ihn nicht mehr doof fand und er keine Spange mehr hatte. Ich war zweiundvierzig Jahre alt. Meine Maximalkraft beim Bankdrücken betrug fünfundneunzig Kilogramm. Das war okay. Ich konnte länger als eine Viertelstunde im Entengang gehen, was ich aber wahrscheinlich nie brauchen würde. Nancy hatte den wundervollsten Hüftschwung der nächsten zehn Jahre. Mein Vater hatte manchmal keine Lust mehr zu leben, und ich hatte immer noch nicht gegen ihn rebelliert, und wie es aussah, würde es dabei auch bleiben. Dorit und ich kannten uns schon eine Ewigkeit. Aber eigentlich war ich ihre zweite Wahl. Es war tatsächlich nicht einfach, über all das zu reden. Dabei belief sich meine verbale Kompetenz nach dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest auf etwa hundertdreißig Punkte. Kein Wunder, dass Chef mir nicht folgen konnte, zumal ich nicht sein Chef war. Keine Ahnung, von wem ich das hatte. Keine Ahnung, wohin ich damit sollte.
    «Wusstest du, wie Pinguinpärchen sich erkennen?», sagte ich ins Schlafzimmer. «Man sollte meinen, das sei unmöglich, weil doch alle Pinguine mehr oder weniger gleich aussehen. Aber sie erkennen sich an ihren Ticks. Jeder Pinguin entwickelt im Lauf seines Lebens bestimmte Ticks. Männchen wie Weibchen. Und sie erkennen einander unter Tausenden an diesen Ticks, und so schaffen sie es, sich immer wieder zu finden und ein Leben lang zusammenzubleiben.» Das war jetzt aber wirklich sehr poetisch. Etwas über Bande, aber poetisch. Eigentlich müsste sie sich jetzt

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