Hüte dich vor Dracula
Es war der staatlich verordnete Tod, der seine Klauen ausgestreckt und die Knochenhände unsichtbar über die zahlreichen Dörfer des ehemaligen Landstrichs Siebenbürgen gelegt hatte, der Heimat des Blutgrafen Dracula.
Die Dörfer sollten verschwinden, die Menschen ebenfalls. Verfall und besonders Vergessen würden Einzug halten. Es gab keine Unterstützung mehr, der Staat war gnadenlos. Keine Gelder flössen in die einsamen Landstriche, die Ortschaften siechten vor sich hin wie schwerkranke Riesen.
Frantisek Marek sah es überall.
Er gehörte zu denjenigen, die noch nicht unmittelbar davon betroffen waren. Der grauhaarige Mann stammte aus einem Dorf namens Petrila. An ihm war der Kelch bisher noch vorübergegangen. Wann sich das ändern würde, konnte niemand sagen.
Marek gehörte also zu den Privilegierten. Auch weil er einen Wagen fuhr, einen alten, klapprigen Käfer, der nicht totzukriegen war. Marek hatte ihn sich vom Bürgermeister geliehen, der war ihm noch einen Gefallen schuldig. Und wer fragte in einem gottvergessenen Landstrich wie diesem schon nach einem Führerschein?
Von Petrila aus war Marek hoch in die Berge gefahren und hatte einige Kilometer die alte Paßstraße genommen. In den Schnee war er nicht gekommen.
Irgendwo war er abgebogen. Die großen Räder des Käfers wühlten sich durch die aufgeweichte Erde. Der Wagen war nicht ein einziges Mal steckengeblieben.
Diese Nebenstraße kannte Marek sehr gut. Der grauhaarige Mann saß hinter dem Lenkrad und schaute mit müde gewordenen Augen durch die Scheibe.
Wenn das stimmte, was er gehört hatte, dann war dies oder konnte dies der Anfang vom Ende sein.
Vampire!
Wieder einmal ging es um Vampire, um diese elendigen Blutsauger, denen Frantisek Marek den erbarmungslosen Kampf angesagt hatte. Die Vernichtung zahlreicher Blutsauger konnte er seinem Konto gutschreiben. Frantisek Marek hatte auch einen Kampf-oder Spitznamen bekommen.
Man nannte ihn den Pfähler!
Zudem besaß er ein Markenzeichen, eben diesen alten Eichenpflock, den er als Erbe übernommen hatte, verbunden mit der Verpflichtung, stets dafür zu sorgen, daß dieses einst so prächtige und schöne Land Rumänien vampirfrei blieb.
Ein Kampf gegen die Flügel von Windmühlen. Zahlreiche Opfer hatte der Kampf schon gekostet, nicht zuletzt Marie Marek, seine Frau, die von einem Freund aus London hatte gepfählt werden müssen, weil sie sonst als Untote durch die Wälder und Dörfer auf der Suche nach Blut geirrt wäre.
Auch Marek war auf der Suche. Nach dem Tod seiner Frau hatte er den Kampf gegen die lebenden Toten eigentlich aufgeben wollen, doch dank der Fürsprache seiner Freunde hatte er sich gewissermaßen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen und war den Weg wieder weitergegangen. Seine Jagd nach den Blutsaugern würde erst mit seinem Tod beendet sein. Daran glaubte er mittlerweile fest. Und so kämpfte er weiter. Ging Spuren nach, horchte, sprach mit vielen Menschen. Man sah, man hörte, etwas sprach sich herum, und der oft steife und kalte Wind gab die Botschaft weiter, bis sie die Ohren erreicht hatte, für die sie auch bestimmt oder interessant war. Eben Frantisek Marek!
Er mußte den weiten Weg in Kauf nehmen, um mit einer Person zu sprechen, die einiges wußte. Wenn es stimmte, was er gehört hatte, sah es sehr böse aus.
In seinem alten VW verließ er den Wald. Vor ihm lag ein Hochtal. An den Hängen der Nordseite klebten Schneereste. In diesem Winter hatte es so gut wie nicht geschneit. Nur in den höheren Regionen der Karpaten war die weiße Pracht gefallen, aber nicht lange liegengeblieben, denn die Wintersonne hatte sie weggetaut.
In den Tälern war es wesentlich kälter gewesen als auf den Höhen, denn in die tiefen Lagen war kein Sonnenstrahl hineingekommen. Selbst die Wölfe hatten genügend Nahrung gefunden und waren in diesem Winter in den Wäldern geblieben.
Vor ihm öffnete sich das Gelände!
Er sah das Tal, die Ortschaft und wußte, daß er sein Ziel erreicht hatte. Zwischen traurig aussehenden Feldern fuhr er her, nahm seinen Weg über schlammige, weiche Pfade, rutschte hin und wieder, mußte mit Gas und Bremse spielen, aber er klebte nie in den von alten Traktorreifen gezeichneten Spuren fest.
Von der Ferne aus gesehen wirkte der kleine Ort wie eine malerische Filmkulisse, auch deshalb, weil oberhalb, am Hang, noch die zerfallenen Mauerreste einer Burg standen. Vor ein paar Jahrhunderten war sie den anstürmenden Türken im Weg gewesen und bis auf
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