Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
hochgezogen. Doria Perlstein beugte sich über ihn. In ihrem zu runden und zu glatten Gesicht waren Sorgenfalten. Sie hatte die Haare kurzgeschnitten, was sie noch pausbäckiger aussehen ließ.
»James, alles okay?«
»Mir geht's gut.« Er lächelte und bemühte sich sehr, den verräterischen Muskel in der rechten Gesichtshälfte unter Kontrolle zu behalten. Doria … gab sich Mühe. Ihr ekelte vor dem Zwerg im Rollstuhl. Er machte ihr Angst, als ob seine Behinderung ansteckend sei. Aber sie gab sich Mühe, diese Gefühle zu unterdrücken.
Er legte die Hände wieder in den Schoß, wo niemand sie sehen konnte. Er tat das nicht aus Scham, sondern aus automatischer Rücksichtnahme. Eigentlich hätte er sie am liebsten ausgestreckt und Doria geschüttelt. Ich bin nicht ansteckend! »Mir geht's gut. Es war eine hektische Woche, da bin ich wohl eingenickt.«
Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. Man konnte sehen, daß sie nachdachte, ob die Entfernung zwischen seinem Rollstuhl und ihr zu groß erscheinen könnte. Sie brauchte eine halbe Sekunde, um ihre Angst vor James Michael Finnegan zu bekämpfen und als Kompromiß knapp drei Zentimeter näherzurutschen.
Eines Tages, dachte er,, werde ich ihr sagen, daß sie nicht neben mir sitzen muß, wenn es sie so nervös macht. Aber vielleicht ist es auch neben mir besser als am Tisch gegenüber. Auf diese Weise ist es ganz natürlich, meinen Blicken auszuweichen.
Doria zwang sich ein Lächeln ab und trommelte mit den tiefroten Fingernägeln auf die Tischplatte. »Wie ich sehe, bin ich diesmal zu früh dran.«
»Ich bin froh, daß du da bist. Letztes Mal sind wir auf einen ganz schön hochrangigen Goblin gestoßen; da hätten wir eine Klerikerin gut gebrauchen können.«
»Wie schlimm war es?«
»Barak und Ahira hat es beide böse erwischt. Er hat drei Punkte abbekommen, ich bin mit zwei davongekommen.«
»Warte mal einen Augenblick – wo war Sandy?«
»Ausgeschieden. Damit bist du als einziger Kleriker übriggeblieben. Die Mannschaft hat viel zu viele Kämpfer.«
Doria verzog das Gesicht. »Tut mir wirklich leid, daß ich voriges Mal zu spät kam.« Sie warf den Kopf zurück und strahlte ihn an. »Aber mach dir keine Sorgen. Sobald Doc mich wieder in die Kampagne eingebaut hat, werde ich euch beide heilen.«
James Michael lächelte. »Sage lieber › Barak heilen ‹ . Ahira geht es prima.«
Sie runzelte die Stirn. »Wieso? Ich weiß, daß Barak Arzneitränke in seinem Beutel hatte – aber Ahira … «
« … hat ihn überredet, sie rauszurücken.«
Sie spielte mit den Rüschen an ihrer Bluse. »Was hast du ihm dafür geboten? Schon gut! Ich weiß Bescheid.« Sie hob den Finger und drohte ihm, als wollte sie ihn tadeln.
»Keine Hiebe mit meiner Axt.«
»Klingt fair.« Sie kratzte sich an der Spitze ihrer Stupsnase. Slowotski behauptete, die Nase sei künstlich. James Michael hatte eine Dauerwette laufen, daß sie natürlich war. Unglücklicherweise gab es keine Möglichkeit, die Wahrheit heraus zufinden. Doria ignorierte alle Fragen, die sich auf dieses Thema bezogen. »Aber irgendwann wird er sich das nicht mehr gefallen lassen, wenn du so weitermachst. Brutaler Kerl. Vielleicht wird er … « Sie brach ab. »Lassen wir das.«
James Michael seufzte. Es war zu offensichtlich, warum Cullinane nicht mit ihm kämpfen wollte, ganz gleich, wie sehr er diese Konfrontation heraus forderte. Wenn Ahira Barak umbrachte, würde Cullinane verlieren – und wenn es Barak gelingen sollte, zu gewinnen, würde James Michael zumindest vorübergehend ausgeschieden sein. Cullinane wollte aber bestimmt keinen Krüppel aus dem Spiel drängen! »Ich nehme an, es ist ihm klar geworden, daß es für die ganze Mannschaft nütz licher war, Ahira gesund und munter dabeizu haben, zumal wir uns unter Tage befinden.« Für einen Zwerg waren unterirdische Gänge natürlicher Lebens raum, wo ihm seine Fähigkeit, im infraroten Bereich zu sehen, klare Vorteile verschaffte.
»Das klingt ein bißchen zu … zu vernünftig für Barak. Sein IQ ist nicht so hoch, oder?«
»Weisheit, Doria, Weisheit. Barak ist der weiseste Kämpfer, den wir haben. Kein Berserker wie Ahira.« Er ballte seine Hände zu Fäusten und trommelte unbeholfen auf die Brust. »Arrk!«
Von der Tür ertönte eine neue Stimme. »Wirst du schon wieder zum Berserker?« Walter Slowotski stolzierte herein. Er roch leicht nach Seife, und seine Haare waren feucht. »Doria, James.« Er nickte den beiden zu, ließ seine Bücher auf
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