Hundekuchen zum Fruehstueck
irgendwie vertraut und fremd zugleich. Und jünger, als ich erwartet hatte. Ich konnte fühlen, wie sich mein Puls beschleunigte, während ich von einer Pfote auf die andere trat. Leg sofort auf, schrie ich innerlich, leg auf, Zoë! Wir können ihr noch entkommen, wenn du sofort auflegst. Wir können uns weiter vor ihr verstecken, wenn du …
» Ja, hier spricht Jessica.« Zoë grinste ratlos. Natürlich war sie viel zu unerfahren, um aufzulegen. Das musste ich schon selbst tun. Ich stellte mich auf die Hinterbeine und hechtete zum Apparat, was mich aus der Balance brachte und gegen den Schreibtisch knallen ließ.
» Hier spricht Debra«, sagte die Stimme. Offenbar hatte ich den Apparat verfehlt. » Debra. Deine Mutter.«
Mein Magen spielte verrückt. Wieder hob ich meine Pfote, aber diesmal brachte Zoë den Apparat außer Reichweite, bevor ich ihn zu fassen bekam. » Meine was? Meine Mutter? Ich habe eine Mutter?«
Wir standen beide wie erstarrt und warteten, was die Stimme am anderen Ende antwortete.
» Ja«, sagte Debra. Und dann: » Es tut mir alles so leid, Jessica. Das möchte ich dir gern persönlich sagen, wenn du mich lässt.«
Mit gerunzelter Stirn starrte Zoë auf den Apparat. Als ich mich von hinten anschlich, um das Gespräch notfalls mit der Nase zu beenden, hob sie das Telefon einfach in die Luft. » Was soll das heißen? Persönlich?«
» Das soll heißen, dass ich dich gern treffen würde. Falls du möchtest, natürlich nur«, fuhr Debra fort. » Vielleicht ist es dir ja nicht recht. Das kann ich verstehen. Ich verstehe alles, was du tun wirst. Ich will nichts von dir – ich möchte nur reden. Ich vermute, dass du mich hasst. Deshalb will ich dir endlich sagen, wie sehr ich alles bedauere.« Sie hielt inne. » Ich würde dich so gern sehen.«
Ich bekam kaum Luft. Sie wollte mich sehen. Sie war stolz auf mich. Als zweijähriges Mädchen mit Apfelbäckchen hatte sie mich weggegeben – und jetzt wollte sie mich sehen. Um sich zu entschuldigen. Was zum Teufel sollte ich davon halten? Konnte ich ihr vertrauen? Würde ich mich trauen, mich mit ihr zu treffen?
» Okay«, sagte Zoë ohne Zögern. » Na klar. Wann denn? Und wo?«
» Nun … wie wäre es denn mit heute? Ich weiß, dass du in Madrona wohnst. Ich bin ganz in der Nähe und könnte einfach vorbeikommen.«
Heute? Heute? Nein, heute absolut und unwiderruflich nicht. Heute geht es nicht, überhaupt nicht. Kommt nicht in Frage.
» Heute ist wunderbar«, sagte Zoë. » Treffen wir uns im Park?«
Wie betäubt hörte ich, wie Zoë und meine Mutter Debra sich für zwei Uhr im Park verabredeten. Ich sah auf die Uhr und stellte entsetzt fest, dass es schon zehn war! Nur noch vier Stunden! Bestimmt musste ich mich gleich übergeben. Nein, lieber nicht. Lieber wollte ich verschwinden. Mich verstecken. Wenn ich mich weigerte, konnte Zoë mich nicht zwingen. Sie konnte gern machen, was auch immer sie an Dummheiten machen wollte … Ich für meinen Teil ging jedenfalls nicht mit in den Park. Das stand fest.
Zoë beendete das Gespräch mit dem Zeigefinger und drehte sich mit strahlendem Gesicht zu mir um. » Das war deine Mutter! Freust du dich nicht? Bist du nicht schon ganz aufgeregt? Du triffst heute deine Mutter!«
Ich wandte den Blick ab. Zoë lief um mich herum auf meine andere Seite. Sie merkte, dass ich auf die Narbe an ihrem Arm starrte, die ich von Kindesbeinen an hatte. Warum, wusste ich nicht. Vielleicht wollte ich es auch gar nicht wissen.
» Das ist doch wunderbar! Vielleicht kann ich heute meine Mom auch sehen. Dann ist das der schönste Tag für uns beide.« Wieder sah ich weg. » Warum bist du denn so komisch? Bist du nicht glücklich? Willst du sie denn gar nicht sehen?«
Ich hielt mein Gesicht weiter abgewandt. Ich konnte Zoë einfach nicht ansehen. Ohne es zu wollen, hatte sie mich betrogen. Sie hatte die Ruhe und Sicherheit untergraben, die ich mir jahrelang aufgebaut hatte. Ich war noch nicht bereit, mich mit Debra zu treffen. Ich wollte sie hassen, und zwar mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt. Zoë konnte das nicht verstehen, und ich konnte es ihr nicht erklären. Aber sie musste zur Kenntnis nehmen, dass ich um zwei Uhr nicht in den Park ging. Ich wollte mich nicht mit Debra treffen. Heute nicht und auch sonst nie.
Wenn ich erwartet hatte, dass mir diese Entscheidung zu innerem Frieden verhalf, so hatte ich mich getäuscht. Ich lief in der Wohnung hin und her und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war
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