Hundertundeine Nacht
Auditorium für ihre fachlichen Kommentare. Sie kommt dabei ganz selbstvergessen in die eigenartigsten Stellungen. Ihr kurzer Rock würde sich hochschieben, und ich könnte mich an ihrem appetitlichen Hintern erfreuen, oder ihre Bluse würde verrutschen mit freier Sicht auf ihre niedlichen kleinen Brüste. Diese Spannerei ist ziemlich albern, weil wir uns nach diesen gemeinsamen Fernsehabenden in der Regel sowieso ausführlich auf dem Teppich oder im Bett vergnügen, und trotzdem macht es mir Spaß, noch ein anderes optisches Programm als das auf dem Bildschirm zu haben. »Der Ball ist rund«, hat Sepp Herberger einmal in unübertroffen tiefer Analyse des Fußballs gesagt. Celines Po ist es auch, aber darüber hinaus noch knackig.
Die Nationalhymnen waren abgespielt, die Seitenauslosung war vorbei – und nach nur fünf Minuten hatten unsere Jungs das erste Tor kassiert. Großer Gott! Wir hatten doch sogar den Teamchef ausgewechselt!
Als genau drei Minuten nach dem Tor das Telefon klingelte, überlegte ich schon beim Abheben, ob ich lieber Pizza Salami oder Schweinefleisch mit Bambussprossen bestellen wollte doch es war nicht Celine. Es war die Klinik, sie brauchte mich zum Nachtdienst. Wie waren sie so schnell bis zu »H« gekommen? Aha, Abramschik hatte sich krank gemeldet, und die anderen waren im Urlaub oder hatten einfach nicht abgehoben. Welcher Dummkopf geht schon bei Deutschlands erstem Spiel in der Endrunde ans Telefon?
»Mein Bruder ist nicht zu Hause«, damit hatte ich solche Situationen am Anfang meiner Krankenhauskarriere geregelt, doch inzwischen sind meine familiären Verhältnisse in der Klinik bekannt. »Gerne, ich komme gleich, aber ich habe schon drei Bier getrunken«, war vor zwei Jahren noch ein unschlagbares Argument und hatte mich ziemlich stolz auf meine Geistesgegenwart gemacht, mir aber auch den Ruf eingebracht, ich sei zumindest Feierabend-Alkoholiker. Würde ich es jetzt noch einmal benutzen, bekäme ich wahrscheinlich nie wieder einen Akut-Nachtdienst aufgebrummt, wäre aber endgültig als Alki abgestempelt. Also ade Pizza Salami oder Schweinefleisch mit Bambussprossen und Celine mit knackigem Hintern und niedlichen Brüsten und Verlängerung auf dem Teppich!
Als stummen Protest gegen mein Schicksal und meine Dummheit, ans Telefon gegangen zu sein, putzte ich mir nicht die Zähne, rasierte mich nicht und bummelte noch etwas herum. Als das Telefon wieder klingelte, nahm ich nicht ab. Was immer Celine jetzt sagen würde, es würde mich nur wütender machen.
Gegen Viertel vor sieben betrat ich unsere Aufnahmestation. Und ich war kaum fünf Minuten im Dienst, da schleppte die Feuerwehr den ersten Fall herein. Es war Mischa, der Russe. Mischa war ziemlich gelb. Und Mischa war mausetot.
Die Aufnahmestation eines akademischen Lehrkrankenhauses wie das, in dem zu arbeiten ich seit acht Jahren die Ehre hatte, ist das Nadelöhr, durch das sich der Patient zwängen muß, wenn er akut in unsere Beste-aller-Kliniken aufgenommen werden will. Egal, ob er aus eigenem Antrieb kommt oder von seinem Hausarzt eingewiesen worden ist. Im ersten Fall hat er fast bessere Chancen. Niedergelassene Ärzte, das weiß der Klinikarzt, sind Spezialisten für Immobilienfonds mit hoher Verlustzuweisung, Steuersparmodelle in Liechtenstein oder für die Entscheidung Rein-in-den-Dollar oder Raus-aus-dem-Dollar, nie jedoch für medizinische Fragen wie Rein-in-die-Klinik oder Raus-aus-der-Klinik. Sie weisen entweder viel zu spät ein, da sie tagelang an einer falschen Diagnose herumgedoktert haben, bis der Patient so gut wie klinisch tot ist, oder sie schicken vollkommen Gesunde, weil »das EKG schlecht« oder »sein Labor vollkommen durcheinander« ist. Oder weil ein Golfturnier ruft.
Es gibt natürlich auch Leute, die wollen gar nicht in unserer Besten-aller-Kliniken aufgenommen werden. Es sind die mit dem Geheimtip, daß du auf der Aufnahmestation nachts nicht lange warten mußt, im Zweifel von fünf verschiedenen Spezialisten gesehen wirst, ein aktuelles EKG und einen Haufen Laborwerte bekommst und als Zugabe noch ein Röntgenbild, alles innerhalb von ein, zwei Stunden. Ein Programm, das in der niedergelassenen Medizin im günstigsten Fall vier Wochen Dauerstreß mit zwanzig entnervenden Telefonaten zur Terminvereinbarung und insgesamt zehn Stunden Wartezimmer bedeutet.
Im Arztzimmer der Aufnahmestation hatte ich mit meinen Klamotten auch meine Hoffnungen auf einen gemütlichen Abend abgelegt. In meinem
Weitere Kostenlose Bücher