Hundsvieh - Kriminalroman
»Heute Morgen haben Sie sich für die Skulptur interessiert, das ist doch sehr verdächtig. Da stand das Original noch in der Sammlung. Ich war selber dabei, als der Hund am späten Nachmittag in den Park transportiert wurde, auch da handelte es sich um das Original. Danach waren Sie als Einziger die ganze Zeit über im Park und in der Nähe der Skulptur.«
»Das kann nicht sein!«, flüstere ich. »Es muss eine andere Erklärung geben.«
»Das erzählen Sie am besten den Polizeibeamten!« Fritschi steht auf.
»Soll ich anrufen, Chef?« Fritschis Assistent geht zum Telefon hinüber und hebt ab.
»Das mache ich gleich selber, Herr Keller, aber vom Empfang aus. Das geht den da nichts an.« Und er zeigt mit seiner Zigarette auf mich. »Und Sie, Mettler, können sich in der Zwischenzeit überlegen, was für eine Geschichte Sie der Polizei auftischen wollen. Kommen Sie, Keller!«
Fritschi drückt seine Zigarette aus und verlässt mit Keller das Büro. Draußen wird der Schlüssel zweimal im Schloss umgedreht.
5.
In meinem Kopf macht sich Panik breit, ich kann kaum noch atmen. Wer wird einem arbeitslosen Lebenskünstler glauben? Wenn es stimmt, dass ich der Einzige bin, der mit dem Hund alleine war, dann habe ich nichts zu lachen. Ich sehe mich bereits in einer engen Zelle hocken, dann wieder im Verhörzimmer, von Lampen geblendet und mit der immer gleichen Frage gequält: »Wo ist Giacomettis Hund?«
Irgendwann würde ich durchdrehen, ich sehe mich schon hechelnd und bellend um den Kommissar herumwedeln und an der Zellenwand mein Bein heben. Mona kommt mir in den Sinn. Was würde sie glauben, wenn man ihr erzählt, dass ihr Claudio ein Kunstdieb ist. Ich muss es Mona selbst erklären, muss sie von meiner Unschuld überzeugen.
Ich schaue mich in Fritschis Büro um, es muss doch einen Ausweg geben! Die Türe ist verschlossen, draußen im Museum sind Fritschi und Keller. Gleich werden die beiden zurückkommen. Hinter dem eindrücklichen Schreibtisch hat es hoch oben ein Fenster. Es lässt sich leicht öffnen, schnell besteige ich den Bürostuhl, sitze auch schon auf dem Sims und springe hinunter in den Park. Der Rasen ist weich, meine Landung und das anschließende Abrollen ideal. Drüben beim Buffet stehen die Gäste des Giacometti-Events und diskutieren aufgebracht, vielleicht aber auch genüsslich lüstern über den dreisten Raub, schließlich ist man nicht jeden Tag bei einer solchen Sensation dabei.
»Da, er haut ab, haltet ihn!«, kreischt eine hysterische Damenstimme.
»Wer?«
»Wo?«
»Der Mann dort drüben, er hat den Giacometti vertauscht.«
Ein paar dynamische Herren laufen auf mich zu. Schon bin ich um die Hausecke herum, renne ein unbeteiligtes Liebespaar über den Haufen, schlage einer Dame mit Nerz das Cocktailglas aus der Hand, krieche durch die Hecke und laufe weiter durch den Park des Verwaltungsgebäudes der Rhätischen Bahn. Oben beim Postplatz höre ich die Sirenen der nahenden Polizeifahrzeuge. Schnell überquere ich die Bahnhofstrasse und tauche in die enge Gasse beim Café Merz. Meine Verfolger sind zurückgeblieben.
Langsam finde ich meinen Rhythmus, ich laufe, ohne meine Kräfte zu vergeuden. Meine Schritte hallen viel zu laut durch die Nacht. Doch niemand dreht sich nach mir um. Wenn Fahrzeuge auftauchen, verkrieche ich mich in dunkle Hauseingänge.
Endlich habe ich Retos Haus erreicht, klingel und warte. Im Schritttempo fährt ein Streifenwagen die Straße hinunter. Gleich sind sie da, gleich werden sie mich sehen.
»Wer da?«, höre ich Müllers Stimme aus dem Lautsprecher.
»Ich bin es, Claudio, mach auf, schnell, sonst …«
Der Streifenwagen rollt heran, da ertönt ein Summen, die Tür gibt nach und lässt sich öffnen, schnell schlüpfe ich in den dunklen Flur und lehne mich schwer atmend an die Wand. Der Polizeiwagen fährt vorbei. Langsam entfernt sich das Motorengeräusch.
Keuchend hetze ich im Dunkeln die Treppe hinauf.
Müller erwartet mich oben an der Wohnungstür.
»Na, wie war dein erster Arbeitstag im Museum?«
Ich lösche das Licht im Raum und ziehe die Vorhänge zu, unten auf der Straße rauscht ein weiterer Streifenwagen vorbei, als er nicht mehr zu sehen ist, atme ich hörbar auf.
»Meinen die dich?« Müller steht neben mir und schaut dem Wagen nach.
Froh, einen Zuhörer zu haben, erzähle ich Reto, wie Morandi und der Japaner mir Geld für den Hund von Giacometti geboten haben, wie ich meinen ersten Tag im Museum verbrachte und wie schließlich die
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