Hundsvieh - Kriminalroman
Spuren verfolgen.« Müller stellt die Kaffeemaschine an. »Und wenn die wahren Schuldigen erst einmal gefasst sind, dann tauchst du wieder auf und bist rehabilitiert, verstehst du?«
6.
Um halb neun bin ich auf der Straße. Meine Reisetasche liegt bei Reto im Keller unter alten Kartoffelsäcken versteckt. Über der Schulter trage ich einen leichten Rucksack mit dem Nötigsten, in meiner Tasche steckt der Schlüssel für ein Maiensäss bei Bergün. Reto hat mir eine große Sonnenbrille und eine gelbe Mütze gegeben, die mich unkenntlich machen sollen, nun sehe ich aus wie der Depp vom Land, der zum ersten Mal in der Stadt ist. Jederzeit fluchtbereit bewege ich mich zwischen den Passanten in Richtung Bahnhof.
Plötzlich sehe ich ihn: Kubashi. Der Japaner, der mir Giacomettis Hund abkaufen wollte. Mit einem eleganten Rollkoffer ist auch er in Richtung Bahnhof unterwegs. Sicher will er heute weiterreisen, irgendwo in meiner Jacke steckt noch sein Reiseprogramm mit den verschiedenen Aufenthaltsorten. Er ist es, der mich reingelegt hat, wegen diesem Japaner ist mir die Polizei auf den Fersen. Das denke ich jedenfalls im ersten Moment, wütend wie ein Stier, der den Torero vor den Hörnern hat. Dann, nach einigen beruhigenden Atemzügen, komme ich zum Schluss, dass Kubashi mit meiner jetzigen Situation eher am Rande zu tun hat. Ich bin schließlich nicht auf sein Angebot eingegangen und habe die Skulptur für läppische 8.000 Franken geklaut. Es kann aber durchaus sein, dass Kubashi sein verrücktes Angebot auch anderen Leuten gegenüber geäußert hat, dass da möglicherweise weitaus höhere Summen im Spiel sind. Morandi kommt mir in den Sinn. Sagte er nicht, dass er einen Hundefreund sucht?
So widerstehe ich meinem ersten Reflex, Kubashi anzufallen und auf offener Straße zu verprügeln. Das würde mich nur noch weiter in eine Einbahnstraße voller Minen und Fallen führen, an deren Ende mich ein Richter und die kantonale Strafanstalt in Realta erwarten würde.
Ist es wirklich das Beste, mich einfach nur zu verstecken? Oder sollte ich nicht selbst herauszufinden versuchen, wer den Hund geklaut hat? Kubashi wird mich zu den wahren Tätern führen, davon bin ich überzeugt. Statt also brav hinunter zum Bahnhof zu gehen, wie mir Reto aufgetragen hat, biege ich in eine Seitenstraße ein und folge dem Japaner durch den Hintereingang ins Warenhaus Manor. Dies ist eine reichlich verwegene Aktion, denn das Gebäude liegt gleich gegenüber dem Kunsthaus am oberen Ende der Bahnhofstrasse. Andererseits wird man mich hier kaum vermuten. Die Polizei wird annehmen, dass ich mit der Skulptur bereits gestern Abend das Weite gesucht habe.
Zufrieden mit meiner neuen aktiven Rolle als verdeckter Fahnder fahre ich hinter Kubashi die Rolltreppe hinauf, er steuert die Sportabteilung an, ich folge ihm und verstecke mich hinter einem Ständer mit Trainingsanzügen. Der Japaner schaut sich um, dann begutachtet er sorgfältig einen Micro-Scooter, einer dieser Mini-Tretroller, mit dem Verrückte neuerdings die Fußgängerzonen und die Bahnhofsunterführungen unsicher machen.
»Hallo, Mister Kubashi«, zische ich, »ich muss mit Ihnen reden.«
Er stellt das Gefährt auf den Boden, steigt auf und rollt zu mir hinüber.
»Mister Mettler! Schön Sie hier zu sehen!«
»Nicht so laut«, ich halte meinen Finger vor die Lippen und ziehe ihn in mein Versteck.
»Kennen Sie sich aus mit diesen Scootern? Sind Sie schon damit gefahren? Ist der hier gut für einen Erwachsenen?«
»Was wollen Sie damit?«
»Ich habe gehört, dass Ihre Straßen nicht so stark befahren sind wie bei uns in Japan.«
»Das kann schon sein, mit einem solchen Ding würde ich trotzdem vorsichtig sein.«
»Ich würde gerne mal einen Pass hinunterfahren, das muss herrlich sein!« Wieder dieses unergründliche Lächeln.
Die Situation ist völlig irrational. Da stehen wir zwei erwachsenen Personen versteckt hinter Trainingsanzügen und Jogginghosen. Ich ein polizeilich gesuchter Dieb, er Drahtzieher in einem raffinierten Kunstraub, und was tun wir beide? Wir unterhalten uns über die Qualitäten eines besseren Kinderspielzeugs.
»Was ist mit dem Hund?«, frage ich ziemlich unfreundlich.
»Der Hund?« Seine Augen beginnen zu leuchten.
»Ja, der Hund von Giacometti, ich stecke bis über die Ohren im Schlamassel deswegen!«
Er packt meinen Arm. »Das tut mir leid, Mister Mettler. Aber mein Angebot gilt immer noch. 8.000 auf die Hand, wenn Sie mir den Hund bringen!« Er
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