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Hundsvieh - Kriminalroman

Hundsvieh - Kriminalroman

Titel: Hundsvieh - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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können sie sich den Luxus erlauben, ohne Moral zu leben. Ich hingegen, kann mir nur Luxus leisten, weil ich ohne Moral lebe.«
    Mit seinem Bierbauch unter der Lederweste, den dunklen, öligen Haaren, die hinter dem Kopf zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden sind, dem Dreitagebart im breiten Gesicht ist er eine eindrückliche Erscheinung, nichts bringt ihn aus der Ruhe – außer vielleicht ein Anruf seiner Mutter, bei der er bis vor Kurzem immer noch lebte.
    Im Februar verkaufte Müller überstürzt seinen Limousinenservice, gab seine Geschäftsräume auf und zog Hals über Kopf nach Chur. Irgendetwas war bei einem Deal schiefgelaufen, er war wohl einigen einflussreichen Leuten zu sehr auf die Zehen getreten. Es erschien ihm ratsam, eine Weile aus dem Engadin zu verschwinden. Selbst seine Mutter hätte ihn nicht zurückhalten können.
    Müllers Wohnung muss irgendwo hinter dem Postplatz sein. Bei der nächsten Telefonkabine rufe ich die Auskunft an und bekomme für einige Münzen die gesuchte Adresse, schleppe die Reisetasche zwei Straßen weiter und dann noch hinauf bis ins dritte Stockwerk.
    ›Müller Enterprises‹ steht auf einem protzigen Türschild. Typisch Reto.
    Trotz mehrmaligem Klingeln öffnet niemand. Schade, er ist nicht zu Hause. Weil ich nicht weiß, wohin ich sonst gehen soll, lasse ich die Reisetasche vor der Tür stehen und schreibe ihm einen Zettel.
    Hoffentlich ist Reto nicht irgendwohin in die Ferien gefahren.
    Ohne die schwere Reisetasche fühle ich mich gleich viel besser. Der Mann von heute Mittag kommt mir in den Sinn, der Mann, der einen Auftrag für einen Hundefreund hat. Ein Auftrag bedeutet Geld, bedeutet Essen, bedeutet eine schnelle Rückkehr nach St. Moritz. Da ich nichts anderes zu tun habe, beschließe ich, ihn zu treffen. Ich schlendere durch die Altstadt, vorbei an der reformierten Martinskirche, die eingeklemmt zwischen den Häusern unterhalb des Hofes steht. Hier die stolze, reformierte Pfarrkirche, oben die pompöse Kathedrale, Sitz des Bischofs von Chur, abgehobener und reichlich konservativer Herrscher über weit verstreute und doch widerspenstige Gläubige. Gleich hinter dem Martinsplatz führt ein schmaler Durchgang hinaus auf den Arcas. Lange konnten die Churer wenig mit diesem Platz anfangen, er war zu groß, zu leer, lag nicht im Zentrum, hatte keine Tradition. Da die Verkehrsplaner nun einmal die Fläche zwischen den Häusern von den Autos befreit hatten, begann eine zögerliche Inbesitznahme des Arcas. Markttreiben an Samstagen, im Sommer eine Freilichtbühne, spielende Kinder und kaffeetrinkende Mütter sowie in die Sonne blinzelnde Müßiggänger.
    Die Tische vor den Restaurants sind auch heute gut besetzt, ich brauche eine Weile, bis ich den Italiener hinter einer Zeitung entdecke.
    »Fame? Haben Sie Hunger? Ich würde Sie gerne einladen.« Er schaut sich die Speisekarte an und bestellt uns Wein und etwas zu essen.
    »Salute, zum Wohl. Io sono Marco Morandi.« Er hebt sein Glas.
    »Ich bin Claudio Mettler, freut mich. Um was geht es bei dieser Arbeit?«
    »Ma no, Signore Mettler, erst das Essen, dann il lavoro.«
    Wir schauen auf den Platz hinaus, Kinder spielen am Brunnen, junge Leute mit Schultaschen gehen vorbei, Frauen bummeln schwatzend über das Pflaster.
    Es wird aufgetragen, mir wird bewusst, dass ich heute noch nichts Ordentliches im Magen hatte, wir essen, prosten uns zu, unterhalten uns über Hunde, dann über Kunst.
    »Kennen Sie Giacometti?«
    »Alberto Giacometti? Ich bin sozusagen Experte für Moderne Kunst, ich arbeite hier im Kunsthaus.« Eine meiner Schwächen – und da gibt es laut Mona einige – ist die der Übertreibung. Aber den Bergeller Künstler, der in Paris zu Weltruhm kam, kennt wirklich fast jedes Kind, er ist auf der Hunderternote abgebildet, seine dünnen Skulpturen stehen in vielen bedeutenden Sammlungen und werden bei Auktionen zu Rekordpreisen gehandelt.
    »Che fortuna! Was für ein Glück für mich, sehen Sie, ich habe einen Freund, dieser Freund liebt Hunde, und er liebt Giacometti und …« Morandi erstarrt mitten im Satz, springt dann eine Entschuldigung murmelnd auf und hastet hinüber zu einem Japaner, der am Rand des Platzes steht, dem Italiener zuwinkt und Häuser fotografiert.
    Gemächlich leere ich meinen Teller und sehe, wie Morandi mit dem Japaner intensiv diskutiert, denn Morandi gestikuliert wild mit den Händen, er zeigt auch immer wieder zu mir herüber. Ein Radfahrer quert den Arcas, er weicht

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