Hurra wir kapitulieren!
US-Politikern nicht mal zu, dass sie sich, bei aller Machtgier, den Idealen der Freiheit und des Individualismus verpflichtet fühlen?
Zadek: Die Nationalsozialisten hatten auch ihren Idealismus und glaubten, immer das Richtige zu machen.
Der Spiegel: Weinen Sie den Terrorherrschern in Afghanistan und im Irak wirklich Tränen nach?
Zadek: Krieg erzeugt - wie jede Aggression - irgendwann einen Gegenschlag. Manchmal lässt er auf sich warten, deshalb haben Sie auf die Kürze vielleicht Recht. Wie schön: Saddam Hussein ist weg! Aber der ist natürlich nicht weg, und die Leute, die an ihn glauben, sind auch nicht weg. Es gibt in der ganzen Welt eine große Gegenbewegung zu Amerika, und sie wird zunehmen. Leider gehören wir als Macht des Westens zu den Kräften, die den Zorn gegen Amerika ebenfalls auf sich ziehen. Wir werden immer verhasster.
Der Spiegel: Sie halten allen Ernstes George W Bush für einen gefahrlicheren Mann, als Saddam es war?
Zadek: Ja.
Dann sagt Zadek, er habe nicht geglaubt, dass es im Irak Massenvernichtungswaffen gegeben habe, aber wenn er Saddam gewesen wäre, dann hätte er »diese Waffen garantiert benutzt«. Von da ist es nicht mehr weit zum »geistigen Widerstand ... gegen diese Scheiße, die auch eine Kulturscheiße ist«.
Der Spiegel: Heißt das, Sie lehnen die amerikanische Kultur grundsätzlich ab?
Zadek: Nein, in den Fünfzigern waren amerikanische Schriftsteller und Regisseure meine Helden. Tennessee Williams zum Beispiel oder Elia Kazan. Aber dann siegte das Musical über das Theater, und aus Hollywood kam nur noch schreckliches Zeug.
Der Spiegel: Haben Sie in den USA selbst auch nur negative Erfahrungen gemacht?
Zadek: Ich war nie dort: Mir ist Amerika zutiefst zuwider, auch wenn ich natürlich ein paar amerikanische Freunde habe. Ich kritisiere nichts, was ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe. Ich kritisiere das, was die Amerikaner mit der Welt tun.
Zadek steigerte sich von Frage zu Frage, von Antwort zu Antwort: Bush sollte »froh sein, das er Schröder die Hand schütteln darf«, war noch das Freundlichste, was er über den US-Präsidenten zu sagen hatte. Worauf die »Spiegel«-Leute die Gretchen-Frage stellten:
Der Spiegel: Man tut Ihnen also kein Unrecht, wenn man sie einen Anti-Amerikaner nennt?
Zadek: Nein, ich finde es feige, dass viele Leute heute einen Unterschied machen zwischen dem amerikanischen Volk und der amerikanischen Regierung. Die Regierung Bush ist mehr oder weniger demokratisch gewählt worden, und sie hatte bei ihrem Feldzug im Irak die Mehrheit der Amerikaner hinter sich. Man darf also durchaus gegen die Amerikaner sein. In diesem Sinne bin ich Anti-Amerikaner.
Der Spiegel: Halten Sie auch die kriegerische Beteiligung der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler für falsch?
Zadek: Auch dieser Krieg hätte nicht stattfinden dürfen. Krieg produziert im Endeffekt nur Katastrophen. Diese Haltung habe ich vertreten, seit ich 18 Jahre alt bin. Das war am Ende des Zweiten Weltkriegs, und ich habe damit nur Feinde gehabt, auch unter meinen jüdischen Freunden, als ich sagte: »Diesen Krieg so wenig wie jeden anderen.« Nach den 60 Millionen Toten fühlte ich mich gewissermaßen gerechtfertigt.
Der Spiegel: Hätten Sie Hitler, seine Mordbanden und KZ-Schergen durch Lichterketten beseitigen wollen?
Zadek: Es ist immer dieselbe Frage: Durch was entsteht Krieg? Krieg entsteht dadurch, dass Leute nicht mehr im Stande sind, miteinander zu reden. Alle Leute haben Interessen. Und mit diesen Interessen kann man umgehen, solange man die Nerven und die Geduld behält.
Hat man Derartiges schon mal gelesen? Es gehört schon eine besondere Chuzpe dazu, als Jude, der das Glück hatte, den Krieg in England zu überleben, während auf dem Kontinent die Juden gejagt wurden, die Ansicht zu vertreten, die Alliierten hätten Hitler und den Nazis nicht in den Arm fallen dürfen beziehungsweise mit ihnen reden sollen, um zu einem Interessenausgleich zu kommen. Wer so etwas sagt, der würde auch Saddam Tee und Butterkekse ans Bett bringen, um den Despoten bei Laune zu halten. Zadek ist nur ein besonders extremes aber kein ausgefallenes Beispiel für den militanten deutschen Pazifismus, der sich von der Geschichte bestätigt wähnt: Es darf keinen Krieg geben! Aber Despoten, Diktatoren und Tyrannen darf es geben, solange sie einen nicht bei der Theater- und Trauerarbeit stören. Es darf gefoltert und gemordet werden, denn dann kann man sich als Gutmensch
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