Hurra wir kapitulieren!
bewiesen, wozu sie imstande sind, betreten Experten den Tatort und erklären, man dürfe sie nicht noch mehr provozieren, man müsse mit ihnen reden, verhandeln, sich auf Kompromisse einlassen und ihnen helfen, das Gesicht zu wahren. Nur so könne man sie zur Vernunft bringen und Schlimmeres verhüten.
Dieses Verhalten nennt man Appeasement. Davon handelt dieses Buch.
»Deeskalation beginnt zu Hause«
Vor zehn Jahren, im Frühjahr 1996 , war die Welt noch weitgehend in Ordnung. Die Türme des World Trade Centers dominierten die Skyline von Manhattan, der amerikanische Präsident hatte ein Problem mit einer Praktikantin, in Deutschland neigte sich die Ära Kohl ihrem Ende zu, die Intellektuellen vertrieben sich die Zeit mit Debatten, ob Francis Fukuyama mit seiner Behauptung vom »Ende der Geschichte« richtig lag und ob der Kapitalismus wirklich gesiegt oder der Sozialismus nur einen Probelauf verloren hatte. So genannte »Ehrenmorde« kamen nur im tiefsten Anatolien vor, die feinsinnige Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus war noch nicht erfunden und in Berlin sprach sich das Bezirksamt von Spandau für den Abriss von zwei Oberstufenzentren aus - nicht weil die Lehrer vor gewalttätigen Schülern kapituliert hatten, sondern weil die Gebäude asbestverseucht waren.
Man musste schon sehr genau hinschauen, um die ersten Anzeichen einer heraufkommenden Krise zu bemerken: In Berlin spielte die Theatergruppe »Rote Grütze« ein Aufklärungsstück mit dem Titel »Was heißt hier Liebe?« Es richtete sich naturgemäß an Jugendliche im kritischen Alter. Um sie auf das Stück aufmerksam zu machen, wurden an Schulen Plakate verteilt, auf denen ein Junge und ein Mädchen zu sehen waren. Sie standen da, als wären sie einem bayerischen Biologiebuch entsprungen, nackt und voller Unschuld.
Die Schulen hatten kein Problem damit, die Plakate aufzuhängen, bis eine Schulrätin aus dem Bezirk Tiergarten eine Genehmigung des Berliner Landesschulamtes verlangte. Diese wurde verweigert. Das Plakat, entschied die Behörde, wäre dazu angetan, »die Gefühle islamischer Schüler« zu verletzen.
Das Landesschulamt handelte präventiv, aus überzogener Fürsorge gegenüber einer kulturellen Minderheit, die noch nicht in der permissiven Gesellschaft angekommen war. Weder hatten sich islamische Schüler über eine Verletzung ihrer Gefühle beklagt noch deren Eltern über die unsittliche Anmache beschwert.
Heute, zehn Jahre später, hat das Landesschulamt ganz andere Sorgen: Schulen mit einem achtzigprozentigem Anteil an »Schülern mit Migrationshintergrund«, wo Schülerinnen mit deutschem bzw. christlichem Hintergrund in der Minderheit sind und deswegen als »Schlampen«, »Nutten« und »Schweinefleischfresser« angepöbelt werden; Schüler aus durchaus intakten Familien mit »Migrationshintergrund«, die noch nicht strafmündig aber schon wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei aufgefallen und ohne zu zögern in der Lage sind, eine Diskussion mit einer Lehrerin mittels eines gezielten Faustschlags für sich zu entscheiden; Eltern, die ihre Töchter weder am Schwimm- noch am Verkehrsunterricht teilnehmen lassen, weil sie um deren Unschuld fürchten.
Das Thema heißt »Gewalt an den Schulen«, und das nur drei Jahre, nachdem Zehntausende von Berliner Schülern den Unterricht schwänzten, um an Demonstrationen gegen den Einmarsch der Alliierten im Irak teilzunehmen. Hieß es damals »No blood for oil« und »Gewalt ist keine Lösung!«, so müssen die Lehrer heute froh sein, wenn die Schüler nur mit Schlagringen statt mit Messern zum Unterricht kommen.
Das Landesschulamt und der Schulsenator könnten sich glücklich preisen, wenn sie heute nur über ein Plakat zu einem Aufklärungsstück entscheiden müssten. Denn die Situation hat sich vollkommen geändert. Das Einzige, das gleich geblieben ist, ist die Entschlossenheit, die Gefühle der Moslems nicht zu verletzten. Nur dass es inzwischen nicht um Berliner Schüler mit »Migrationshintergrund« geht, sondern um 1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen. Es geht um Meinungsfreiheit, den Kern der Aufklärung und der Demokratie, und um die Frage, ob Respekt, Rücksichtnahme und Toleranz die richtigen Mittel im Umgang mit Kulturen sind, die sich ihrerseits respektlos, rücksichtslos und intolerant gegenüber allem verhalten, das sie für dekadent, provokativ und minderwertig
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