Hurra, wir leben noch
lauthals, daß ein Junge einen Koffer fallen ließ. »Mann, ich werde verrückt! Du und in Saigon! In Saigon sehen wir uns endlich wieder – nach achtzehn Jahren!«
»Mein guter, alter Mojshe«, sagte Jakob gerührt.
»Jake, you son-of-a-bitch«, sagte Mojshe gerührt.
Und in den Armen lagen sich beide.
47
»In den letzten drei Jahren, in denen ich mit deiner Frau gevögelt habe, ist sie um zwanzig Jahre jünger geworden!«
»Ich vögle deine Frau zwar erst zwei Jahre, aber in denen ist sie auch um zwanzig Jahre jünger geworden! Das sagt sie selber immer, was, Joe?«
»Sagt sie selber immer, ja, Jim!«
»Sie hat mir erzählt, du hast einen so kleinen, daß mit ihm einfach keine Frau kommen kann!«
»Was heißt kommen! Mir hat sie gesagt, man weiß bei dir nie, ob er drinnen ist oder draußen!«
»Und außerdem bist du eine feige Sau, das muß auch mal gesagt werden!« Neun Herren, die in blauen Trainingsanzügen auf Matten im Kreis saßen, sprachen plötzlich alle zur gleichen Zeit auf einen zehnten Mann ein, der in der Mitte des Kreises hockte, an allen Gliedern bebend und lauthals schluchzend.
»In Korea, da beim Heartbreak Ridge, da hast du feige Sau die Kameraden nach vorne gejagt, mitten hinein ins Artilleriefeuer, und selber bist du im tiefsten Bunker gesessen und hast dir in die Hosen geschissen!«
»Dafür hast du jeden Morgen flammende Reden vor der Einheit gehalten, du Scheißkerl! Wir müssen die Freiheit verteidigen! Wir sind die Retter der Welt vor der Roten Flut!«
»Auf diese Weise hast du Karriere gemacht, du Lump! Andere sind verreckt, aber du bist befördert und befördert worden, bis du im Generalstab warst!«
»Weißt du noch, du Sauhund, wie du die eigenen Boys mit Granaten hast eindecken und krepieren lassen, weil du zu blöd warst, den Werfern die richtige Entfernung durchzugeben, so daß die Dinger direkt zwischen uns explodiert sind?«
Der zehnte Herr, auf den die anderen neun Herren solcherart einschrien, schluchzte jetzt nicht mehr. Er rollte über die Matratze und biß wie ein Rasender in viele bunte Kissen, die, zwanglos verstreut, herumlagen. Zwei Kissen hatte er schon erledigt, im Moment zerfetzte er mit seinen Zähnen ein drittes. Rot war es.
»Deinen Adjutanten hast du mit einem Spähtrupp in ein Gebiet geschickt, von dem du gewußt hast, daß es total vermint ist!«
»Und die armen Hunde sind auch prompt alle hochgegangen!«
»Weil dein Adjutant dir nämlich gesagt hat, er wird einen Bericht über dich schreiben! Über dich und deine Blödheit und Feigheit und Hinterfotzigkeit!«
Der arme Kerl, der also beschimpft wurde, biß nun auch nicht mehr in die Kissen. Schneeweiß im Gesicht, hielt er im Knien die Hände an den Leib gepreßt und kotzte, was das Zeug hielt.
»Mensch, Mojshe, ich werde verrückt! Das gibt es doch nicht«, flüsterte Jakob entgeistert.
»Du siehst ja, daß es das gibt. Und ich werde dir noch ganz andere Sachen zeigen«, antwortete Mojshe Faynberg. Er stand mit Jakob in einer Kammer, die dem Vorführraum eines Kinos ähnelte. Durch einen Spiegel, der auf der Innenseite durchsichtig war, konnte man in die große Turnhalle blicken, in der es unter den zehn Herren zuging wie in einem Tollhaus. Über einen Lautsprecher kam der Krach von draußen in die Kammer.
»Ja, aber was soll denn das?« fragte Jakob. »Ist das eine Klapsmühle hier?«
»Im Gegenteil, das ist ein Kursus für zusätzliche seelische Stärkung.«
»Mojshe, ich flehe dich an, sag, daß du mich auf den Arm nimmst!«
»Ich schwöre dir, ich nehme dich nicht auf den Arm, Jake!«
»Ja, aber warum wehrt sich denn der arme Kerl – mein Gott, jetzt hat er sich vor Wut auch noch in die Hosen gepißt! –, warum wehrt sich denn der arme Kerl nicht und brüllt die anderen auch an oder verdrischt sie?«
»Ah«, sagte der gereifte, rothaarig-graumelierte dicke Oberstleutnant Mojshe Faynberg in seiner piekfeinen Uniform ernst, »das dürfte er niemals! Damit wäre seine Karriere zu Ende! Er muß sich alles anhören, was die anderen über ihn denken, und er darf kein Wort sagen! Nur heulen, sich auf der Erde wälzen, kotzen und das andere da jetzt, das darf er. Sich vollscheißen auch.«
»Aber warum, Mojshe, warum?«
»Es ist wichtig, daß alle Mitglieder des Generalstabs genau wissen, was sie voneinander halten. Nur so entsteht echter Corpsgeist.«
»Das … das … das sind lauter Mitglieder des Generalstabs?«
»Natürlich! Hast du vielleicht gedacht, es sind einfache GI
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