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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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der Grund, weshalb wir die Costa del Sol fluchtartig verlassen haben.«
    Er schwieg einen Moment. »Meine Nachforschungen über ihn laufen, aber es ist noch zu früh für konkrete Ergebnisse. Bisher weiß ich nur, dass er ein paar Tage nicht ins »Dark Side« zurückgekehrt war, dann aber wieder auftauchte und alle schikanierte, Angestellte wie Gäste. Und jetzt ist er erneut verschwunden.«
    »Glaubst du, er wird uns suchen?«
    »Keine Ahnung«, sagte er, seine Stimme klang ausweichend. »Typen wie er geben normalerweise nicht einfach auf, aber im Moment sehe ich keine Gefahr, es ist alles noch zu frisch. Außerdem hast du jetzt Tomas an deiner Seite, und ab morgen Abend bin ich wieder bei dir.«
    »Na gut«, sagte sie dann, »jetzt erzähl etwas von dir. Wo seid ihr gerade?«
    »Wir sind schon viele Stunden unterwegs und machen jetzt eine kurze Rast. Unterwegs mussten wir nach Nahrung suchen, das hielt uns auf …«
    Sie unterdrückte einen Laut.
    »Daran wirst du dich gewöhnen müssen, mein Mädchen«, sagte er trocken, »ich vermag nichts gegen meine Natur. Igor geht es gut, und ich glaube, er freut sich fast so sehr auf dich wie ich. Unterwegs liegt er auf dem Rücksitz und döst meistens vor sich hin, nur manchmal bewegt er im Schlaf die Pfoten, als ob er irgendwohin rennen wolle. Vielleicht zieht es ihn schon jetzt zu deiner Blanca zurück, die zwei waren ja ein richtiges Liebespaar. Wir sind jetzt in Südfrankreich, kurz vor Nizza, und werden hier in der Nähe bei einem Freund übernachten.«
    »Bei einem Freund?«
    »Nun ja«, jetzt klang seine Stimme erstmals etwas ungeduldig, »bei jemandem, dem ich seit langem vertraue und der meine besonderen … Bedürfnisse kennt. Morgen fahren wir ganz gemächlich weiter, denn ich möchte diese Reise bewusst auskosten.« Er hielt inne, bis er in verändertem Ton fortfuhr: »Es ist so lange her … Morgen Nacht werden wir bei dir sein. Und dann …«
    »Dann werden wir gemeinsam in deine Heimat reisen«, vollendete sie seinen angefangenen Satz. »Höre ich zwischendurch noch von dir?«
    »Natürlich, mein Liebes.«
    »Dann bis morgen, Stanislaw.« Langsam steckte sie ihr Handy wieder ein.
    Vampire kannten keine Angst, so schien es zumindest, doch Joanna wusste, dass Stanislaw sich ebenso danach sehnte, wie er sich davor fürchtete, nach jahrhundertelangen Irrwegen in der Fremde seine Heimat wiederzusehen, eine Heimat, die sich seitdem dramatisch verändert hatte.

Drei
    Tomas hatte sich umgezogen. In einem dunkelblauen Sakko, das er mit einem offenen weißen Hemd und schwarzen Jeans kombiniert hatte, erwartete er sie in der Hotelhalle.
    Auch Joanna hatte sich für formellere Kleidung entschieden, da sie nicht wusste, in welche Art von Restaurant Tomas sie führen würde. Er musterte sie diskret, offenbar hatte sie mit dem schwarzen Wildlederrock und dem hellen Oberteil richtig gewählt.
    Sie versuchte, hinter die Fassade verbindlicher Höflichkeit zu blicken, denn nichts deutete in seinem Verhalten ihr gegenüber darauf hin, dass es wenige Stunden zuvor zu einem Vorfall gekommen war, den die meisten Menschen als unerhört, ungeheuerlich und geradezu schockierend empfunden hätten. Sie war ihm dankbar, dass er nicht darauf zurückkam.
    Im Taxi fragte sie nicht, was er geplant hatte. Wenn Stanislaw ihr diesen jungen Mann als Führer mitgegeben hatte, würde sie sich ihm anvertrauen können. Dennoch erinnerte sie sich an Stanislaws Worte am Telefon, mit denen er sie zu besonderer Vorsicht ermahnt hatte, womit er wohl nicht nur Kyrill gemeint hatte.
    Rumänien galt allgemein als gefährliches Pflaster, wo sich angeblich kein Westeuropäer sicher fühlen konnte. Es hieß, das Land sei noch immer von der jahrzehntelangen Ära der Diktatur ausgelaugt und habe sich auch mehr als zwanzig Jahre danach nicht von dieser Unterdrückung erholt. Die Mitgliedschaft in der EU hatte am tradierten System von Misswirtschaft und Korruption offenbar wenig geändert, und es gab nach wie vor im Volk große Armut gegenüber einer dünnen, sehr wohlhabenden Oberschicht.
    Während das Taxi sie durch das Verkehrsgewirr des abendlichen Bukarest navigierte, nahmen Joannas geschärfte Sinne alle Eindrücke wahr, die ärmlich gekleideten Menschen, von denen viele müde und krank aussahen, die bettelnden Kinder, die mageren Straßenhunde. Ehemals prächtige Stadtpalais, in denen wohl nur noch Ratten hausten, verfielen, und dort, wo einst Fensterscheiben gewesen waren, sah man dunkle Löcher, die

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