Hypnose
zusätzlich zu seinen Bereitschafts- und Nachtdiensten regelmäßig jede Menge Überstunden.
»Wo bleiben denn Annabel und Jannis?«, fragte Rebecca.
Wahllos drückte Inka auf dem Display des neuen Herdes herum, um den Backofen für die Bruschette vorzuheizen, und hoffte, mit etwas Glück die richtige Temperatureinstellung zu finden. Wenn nur diese Kopfschmerzen nicht wären! Sie fühlten sich anders an als sonst, wenn sich eine Migräne ankündigte. Ein gewisses Unwohlsein begleitete sie schon seit zwei Stunden, obwohl ihr die Therapiesitzung am Nachmittag gutgetan hatte. Nun ja, auch dieser Zustand würde vorübergehen. Es gab Tage, an denen man sich einfach merkwürdig fühlte, befand Inka, und heute war vielleicht ein solcher Tag.
»Es ist doch erst Viertel vor acht!«, rief sie mit Blick auf die Digitaluhr am Backofen. »Die beiden sind sicher pünktlich!« Ein liebevoller Seitenhieb auf die Überpünktlichkeit ihrer Freundin.
»Was gibt’s denn zu feiern?«, fragte Rebecca, als Inka mit dem Tablett ins Wohnzimmer trat.
Sie sah in ihrem schwarzen Strickkleid einfach umwerfend aus. So etwas könnte ich nie tragen , dachte Inka mit gewohntem neidvollem Blick auf Rebeccas endlos lange Bei ne bis hinunter zu den lachsfarbenen Ballerinas. Zu dem betonte das eng anliegende Kleid Rebeccas vollen Busen und ihre sonst schlanke Figur an den richtigen, wohlgeformten Stellen, hingegen würde es über ihrem burschikosen Knochengerüst eher sackartig wirken. Rebeccas hübsches Gesicht wurde noch dazu von wilden dunklen Naturlocken umrahmt, über die sie sich immer aufregte und die Inka liebend gerne gegen ihren hellen Kurzhaar schnitt getauscht hätte. Warum ihre Freundin keinen Mann fürs Leben fand, war ihr ein Rätsel. Auf ihre Umwelt mochte sie vielleicht wie ein Mauerblümchen wirken, weil sie als Bibliothekarin arbeitete und bei ihren pflegebedürftigen Eltern in der Villa am Killesberg lebte, aber Rebecca war eine, mit der man die berühmten Pferde stehlen konnte. Mit ihrer Meinung hielten sie gegenseitig nie hinterm Berg, und was hatten sie schon nächtelang dagesessen und über Gott, die Welt und die Männer diskutiert …
Inka stellte das Tablett auf den Couchtisch und grinste. »Warum ich eingeladen habe? Tiramisu, Tiramisu, Tiramisu. Das sind schon drei gute Gründe für eine Party, oder nicht?«
Rebecca fiel in ihr Lachen mit ein und strich sich eine widerspenstige Lockensträhne hinters Ohr. »Endlich mal wieder dein megagutes Tiramisu! Was habe ich das vermisst … Und die Eisschokolade sieht verdammt lecker aus, danke!«
Es war ein so schönes Gefühl, anderen mal wieder eine Freude zu machen und selbst dabei Glück zu empfinden. »Na ja, ich dachte, wir machen eine kleine Einweihungsparty und stoßen darauf an, dass es mir wieder besser geht.«
Kaum ausgesprochen, wurden ihre Kopfschmerzen noch drückender. Inka versuchte, sich nicht davon beeinflussen zu lassen, und stellte Sektgläser und Tellerchen auf den Mosaik-Couchtisch.
»Geht es dir wieder richtig gut? Kannst du wieder schreiben?«, fragte Rebecca und griff ohne eine Antwort abzu warten nach einem Magazin in der Ablage neben der Couch, auf dessen Titelseite es Inka mit einer Reportage geschafft hatte. »Das war bestimmt lukrativ.«
»Nein. Der Artikel zu Stuttgart 21 ist schon ein gutes halbes Jahr alt und war ein gewisser Erfolg, ja. Aber lukrativ ?« Inka musste lächeln. Falls es dieses Wort in ihrer Branche überhaupt noch gab, so galt es nicht für ihre Aufträge als freie Journalistin. Wäre da nicht Peters Beamtenjob als Kriminaltechniker, sie hätten sich dieses Reihenhäuschen am Botnanger Sattel und jetzt die teure Renovierung bestimmt nicht leisten können.
Rebecca band ihre Mähne zu einem Pferdeschwanz, schlug den Artikel auf und begann zu lesen.
Inka nutzte die Gelegenheit, ging durch die offene Terrassentür nach draußen und zündete sich wieder eine Zigarette an.
Die Nächte waren hell zu dieser Jahreszeit. Anfang der Woche war Sommersonnenwende gewesen. Inka schaute in den Himmel. Ob sie ihren kleinen Stern heute sehen würde? Ein Kloß füllte ihre Kehle. Niemand, der das Drama im Hause Mayer vor einem halben Jahr, zwei Tage vor Weihnachten, in irgendeiner Form mitbekommen hatte, sprach das Wort Baby in ihrer Gegenwart aus. Und wenn sie jetzt weiter daran dachte, würden sich ihre latenten Kopfschmerzen doch noch zu einer Migräne auswachsen.
Ob Peter wie versprochen rechtzeitig nach Hause kam? Aber selbst wenn
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