Hypnose
wandte er sich an die Gäste. »Hallo, ihr Lieben, schön, dass ihr da seid! Wie gefällt euch unser neu gestaltetes Reich? Jannis, ich muss dir nachher unbedingt noch mein neues Heimkinosystem vorführen. Aber erst will ich noch schnell duschen! Wenn der Sommer so weitergeht, wie er anfängt …« Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die kurzen dunklen Haare.
»Hallo, Rebecca, hallo, Annabel!« Wie immer, wenn er Annabel umarmte und ihr ein Küsschen zur Begrüßung auf die Wange gab, war es Inka leicht unwohl. Die Sache zwischen den beiden war zwar schon knapp fünf Jahre her – ein einmaliger Ausrutscher unter Alkoholeinfluss, den beide ihr gegenüber bereut hatten –, aber ein kleiner Stachel steckte immer noch in Inkas Herz und piekte in solchen Momenten, auch wenn sie ihrem Mann und ihrer Freundin offiziell verziehen hatte.
»Warte mal«, sagte Annabel. »Wusstest du, dass Inka Gruppenhypnose bei meinem Schwager macht?«
»Bitte was?«, fragte Peter. »Hypnose? Das finde ich aber nicht wirklich gut, mein Schatz.«
Inka stutzte. Damit hatte sie nicht gerechnet. »Und warum?«
»Weil … Mensch, das weiß man doch! Das ist alles ausgemachter Blödsinn! Bei diesen Massenveranstaltungen geht es zu wie auf der Theaterbühne, die armen Leute werden vorgeführt und erleben wahre Horrortrips. Und der Einzige, der wirklich davon profitiert, ist der Hypnotiseur selbst.«
»Das ist kein Blödsin n !«, verteidigte sich Inka. »Doktor Brinkhus hat sich auf Hypnotherapie spezialisiert. Er betreibt eine von nur fünf anerkannten Hypnosekliniken in Deutschland. Es gibt stationäre und ambulante Einzeltherapien und eben diese Gruppenangebote. Er behandelt Raucher, Übergewichtige, aber auch Patienten mit schwe ren psychischen Auffälligkeiten wie Zwangsneurosen, mas siven Persönlichkeitsstörungen, Borderline-Patienten …«
»Und wie soll ich mir das vorstellen?«, fragte Peter und behielt seinen skeptischen Blick bei.
»Die Gruppentherapien finden in einem abgedunkelten Turmzimmer statt, wo wir im Kreis auf Ledersesseln sitzen. Doktor Brinkhus steht in der Mitte und führt seine Hypnose durch. Alle anderen Räume sind schön hell, wie eine moderne Klinik eben. Mittlerweile mache ich auch Einzelsitzungen, morgen ist die nächste Therapiestunde. Doktor Brinkhus sagt, ich muss erst den … den Verlust meines Babys verkraften, um auch wieder die Zigaretten loslassen zu können. Hypnose fühlt sich an wie eine tiefe Entspannung. Das ist ganz harmlos, wirklich! Er selbst versichert das auch. Und es hilft mir. Ich hatte vor der ersten Sitzung solche Angst. Aber ein Mensch tut nichts gegen seinen eigenen Willen, auch nicht unter Hypnose. Der freie Wille ist durch einen Hypnotiseur nicht beeinflussbar, das hat er mehrfach betont. Alles andere geschieht nur in Hollywood.«
»Igelchen, sei mir nicht böse«, wand Peter ein, »aber ich finde das nicht wirklich gut, was du da machst.«
Verärgerung machte sich in ihr breit. Nicht nur, dass er ihren mutigen Schritt vor den Freunden kritisierte, er machte damit auch ihren Versuch schlecht, endlich die Heilung ihrer Seele in Angriff zu nehmen.
»Und warum hast du tatsächlich etwas dagegen?«, fragte sie ihn offen.
»Warum?«, entgegnete Peter leicht gereizt. »Weil … weil das für mich eben doch nach Hollywood klingt. Und dafür ist mir unser Geld zu schade. Außerdem wäre es nett gewesen, wenn du das vorher mit mir abgesprochen hättest … Ich gehe jetzt erst mal duschen, derweil könnt ihr euch ja noch über eure Hypnoseerfahrungen austauschen.«
Kopfschüttelnd sah Inka ihrem Mann nach. In letzter Zeit gab es immer wieder kleinere Kontroversen zwischen ihnen, die sie nicht hatte vorhersehen können. Gut, es war ungeschickt gewesen, dass Peter von ihrer Therapie im Beisein der Freunde erfahren hatte, aber eigentlich konnte sie ihn nach dreizehn Jahren Beziehung ganz gut einschätzen, und früher hätte er bestimmt nicht so reagiert, wenn sie es auf der Suche nach Linderung ihrer Probleme mit Hypnose probiert hätte – ohne ihm das vorher zu sagen. Vertraute er ihr nicht mehr? Oder gab es finanzielle Probleme, von denen sie nichts ahnte? Vielleicht hätte er selbst gerne therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, konnte das aber nicht zugeben? Auch bei Peter hatte das vergangene halbe Jahr deutliche Spuren hinterlassen, aber er hatte kaum mit ihr darüber gesprochen. Peter war noch nie der große Redner in ihrer Partnerschaft gewesen. Und wenn er abgekämpft
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