Iacobus
hinter unserem Rücken war noch nicht ganz untergegangen, trafen wir in der strategisch zwischen Frankreich, dem Deutschen Reich und Italien gelegenen Grafschaft Venaissin ein, die sich im Besitz des Papstes befand, und unsere Tiere setzten ihre Hufe endlich auf die wunderbare Pont St. Bénezet, die über die schwarze Rhône führte.
Das bischöfliche Palais, Zentrum der christlichen Welt, war das erste der beeindruckenden Gebäude, auf das wir gleich hinter den Mauern von Avignon stießen; wir warfen allerdings nur einen erschöpften Blick darauf und setzten dann unseren Ritt gemäßigten Schrittes Richtung jüdisches Viertel fort, hinter dem sich die Komturei der Ritter vom Hospital des Heiligen Johannes befand.
Ein dienender Bruder öffnete uns das Tor und nahm uns die Pferde ab, woraufhin ein armiger uns hineinführte.
»Wo wollt ihr Euren Schildknappen unterbringen?« fragte er, ohne den Kopf zu wenden.
»Nehmt ihn mit zu Euch, Bruder. Er soll bei den armigeri schlafen.«
Jonas zuckte zusammen und schaute mich beleidigt an.
»Es tut mir leid, Frère Galcerán«, sagte er, »aber ich kann nicht in einem Ordenshaus der Hospitaliter übernachten.«
»Ach nein?« entgegnete ich amüsiert, während ich unbeirrt den breiten, mit kostbaren Tapisserien ausgeschmückten Flur entlangging. »Und wo willst du dann schlafen?«
»Wenn es Euch nichts ausmacht, so würde ich gern zum nächstgelegenen Konvent der Mauritiusmönche gebracht werden. So habt Ihr es dem Prior meines Klosters zugesichert, und Ihr habt Euer Versprechen im Laufe unserer Reise schon ziemlich oft gebrochen, meint Ihr nicht auch?«
Seine Unverschämtheit war so schnell gewachsen wie sein Körper, trotzdem wollte ich ihn lieber so ertragen, als ihn in einen unterwürfigen Klosterbruder von Ponç de Riba verwandelt zu sehen.
»In Gottes Namen, geh. Aber morgen bei Tagesanbruch möchte ich dich hier im Innenhof abmarschbereit und mit gesattelten Pferden stehen sehen.«
Der armiger räusperte sich.
»Bruder …«
»Sprecht.«
»Es tut mir leid, Eurem Schildknappen sagen zu müssen, daß es in Avignon keine Klostergemeinschaften des heiligen Mauritius gibt.« Er blieb vor einer wunderschön gearbeiteten Tür stehen und hielt mit beiden Händen die Türknaufe fest. »Wir sind da.«
»Sehr gut, Jonas, also hör zu«, sagte ich und drehte mich erbost zu ihm um. »Du wirst jetzt diesem dienenden Bruder hier folgen und bei den Knappen schlafen, und morgen früh wäschst du dich dann am ganzen Körper gründlich mit kaltem Wasser, säuberst dich vom Schmutz der Reise und schaffst mir dieses alte Klosterhabit aus den Augen … und nun, verschwinde.«
Drinnen im Saal erwarteten mich der Großkomtur von Frankreich, der Prior von Avignon und weitere Würdenträger meines Ordens. Mein äußeres Erscheinungsbild schickte sich nicht gerade für eine Begegnung auf solcher Rangebene, doch sie schienen meinem schmutzigen Habit, dem schlechten Geruch und dem mehrtägigen Bart keine sonderliche Bedeutung beizumessen. Schließlich handelte es sich lediglich um einen kurzen Willkommensgruß und darum, mich darüber ins Bild zu setzen, wie die bevorstehende Audienz beim Papst verlaufen würde: Einzig der Großkomtur, Robert d'Arthus-Bertrand, Herzog von Soyecourt, und ich würden zu dem Empfang des Pontifex eilen. Zu meiner Überraschung erklärte mir der Herzog, daß wir uns dazu als Franziskaner verkleiden – zu denen Seine Heiligkeit, nebenbei bemerkt, aufgrund deren Thesen von der Armut unseres Herrn Jesus Christus keine besonders guten Beziehungen unterhielt – und zu Fuß gehen würden, ohne uns zu erkennen zu geben, bis wir seine privaten Gemächer erreicht hätten, wo er uns zur Stunde der Frühmette erwartete.
»Zur Stunde der Frühmette!« rief ich erschreckt. »Mein edler Herr Robert, seid barmherzig und laßt mir schnellstens ein Bad bereiten! So, wie ich aussehe, kann ich nicht vor dem Heiligen Vater erscheinen. Auch würde ich gern noch etwas essen, wenn es uns die Zeit gestattet.«
»Ruhig, Bruder, beruhigt Euch. Das Abendmahl steht bereit, und hinter dieser Tür wartet schon der Barbier. Seid unbesorgt; noch bleiben uns drei Stunden.«
Es war tiefe Nacht, als der Großkomtur und ich, plötzlich in ein paar poverellos di Francesco verwandelt, uns den Fragen der päpstlichen Wachen stellten, welche die nächtlichen Posten der Zitadelle abschritten. Mit dem größten Gleichmut entgegneten wir schlicht, man habe uns von der Kathedrale Notre-Dame
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