Ice
Bahnstation, die sich in der Nähe der Pyramide befindet. Crome und ein riesiger glatzköpfiger Warrior – ich glaube, er heißt Rock – erwarten uns bereits, außerdem sind der Bürgermeister sowie mindestens ein Dutzend Männer der Stadtwache anwesend. Werden sie Ice gleich verhaften?
Darüber kann ich mir später den Kopf zerbrechen, im Moment bin ich einfach nur glücklich, dass er wieder da ist.
Als der Zug einfährt, vibriert die schwebende Schiene vor dem Bahnsteig. Ich habe noch nie so ein Gefährt in echt gesehen. Offensichtlich stammt es aus der Zeit vor der Bombe. Ich nehme die Sonnenbrille ab und erkenne die Silhouette einer großen Person im düsteren Führerhaus, da die Fenster fehlen. Ist es Ice? Nein, es ist Jax.
Als der Wagen vor uns hält, fällt mir auf, dass die meisten Sitzbänke nur polsterlose Gestelle sind. Außerdem ist Farbe abgesplittert. Früher war die Bahn gelb lackiert.
Mark stürmt als Erster aus der Monorail und schenkt uns kaum einen Blick. Vermutlich kann er sich denken, dass ich außer Gefahr bin, weil ich am Bahnsteig stehe.
Jax steigt als Nächster aus, und ich verrenke mir den Hals, weil ich Ice nicht entdecken kann. Die Hitze flimmert auf dem Dach, und ich muss trotz Sonnenhut die Augen abschirmen und die Lider zusammenkneifen, um ins düstere Wageninnere blicken zu können.
»Ice?«, rufe ich in den Wagon.
»Wo ist er?«, fragt Crome neben mir Jax.
Als ich zu ihnen schaue, schüttelt Jax den Kopf.
»Was ist passiert?« Auf einmal fühle ich mich kraftlos. Es steht in ihren Gesichtern geschrieben, dass etwas passiert ist.
Miraja nimmt meine Hand, während Jax erzählt.
»In White City herrschen Unruhen, die Sicherheitsvorkehrungen wurden verstärkt, überall wimmelt es vor Soldaten und auch die Überwachungskameras haben unsere Profile gespeichert. Sie melden sofort Alarm, sobald sie ein Gesicht erkennen. Mark hatte bereits die Medis und war auf dem Rückweg, als ein Trupp die Kanalisation stürmte. Sie müssen Mark wohl im Krankenhaus erkannt oder gescannt haben. Ice hat zu ihm gesagt, er solle zurückgehen, um zwei Leben zu retten, er wird die Meute aufhalten und später nachkommen. Ich war noch nicht fertig mit der Datenübertragung, daher waren Mark und Ice allein.«
Ich stoße die Luft aus. Also besteht noch Hoffnung. »Dann fahr ich mit diesem Ding zur Kuppel und werde dort auf ihn warten.« Ich habe solche schlimmen Schuldgefühle, weil mir schließlich nichts gefehlt hat, dass ich verrückt werden würde, wenn ihm etwas passiert ist.
»Veronica, er hat sich geopfert, damit wir es zurückschaffen«, sagt Jax vorsichtig.
»Was redest du da?«
»Bei der Rückfahrt haben uns Mark und ich die Aufzeichnungen angesehen, die ich vom Zentralrechner geholt habe. Ganz am Ende war der Funkspruch gespeichert, den ein Warrior an den Senat geschickt hat. Moment, du kannst ihn selbst anhören.« Jax zieht einen kleinen Tablet-PC aus seinem Rucksack, tippt auf dem Display herum und kurz darauf ist eine Stimme zu hören: »Einheit zwei hat Mr. Trent gefasst, Sir. Er hat dem entflohenen Arzt geholfen, Medikamente zu stehlen, angeblich für Ihre Tochter, Sir. Leider ist uns der Arzt entkommen.«
»Behandeln Sie die Information mit den Medikamenten vertraulich, das soll die Öffentlichkeit nicht erfahren!«
»Sehr wohl, Sir. Was sollen wir mit dem ehemaligen Bodyguard Ihrer Tochter machen?«
»In die Arrestzelle mit ihm. Ich brauche ihn, um ein Exempel zu statuieren. Morgen Mittag wird er öffentlich hingerichtet …«
Mit geschlossenen Augen weiche ich zurück. Hätte Miraja nicht den Arm um mich gelegt, würde ich wohl fallen, denn ich fühle mich, als würde mir jemand die Beine wegreißen. Ich stürze in einen tiefen schwarzen Abgrund und wünsche mir eine Ohnmacht, aber das wird nicht passieren. Ich bin noch nie ohnmächtig geworden. Da gibt es nur diese Schwärze und den grausamen Schmerz in meinem Herzen.
Ice … hingerichtet? Auf Befehl meines Vaters?
Ich bekomme kaum Luft und versuche zu atmen, aber mein Hals ist wie zugeschnürt. Vater will allen zeigen, was mit Soldaten und Bürgern passiert, die sich nicht den Gesetzen beugen. Ice wird keine Anhörung erhalten.
Und alles meinetwegen, nur wegen dieses blöden Kratzers … Hätte ich ihn doch aufhalten können!
»Veronica …«, dringt Mirajas Stimme aus weiter Ferne an mein Ohr. »Veronica!«
Ich sehe Ice vor meinem geistigen Auge. Er steht auf dem Platz vor dem Turm auf einem Podest, damit ihn jeder
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