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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Belegschaft auf. Tatsächlich werden Gutscheine für Massagen und Rückengymnastik vergeben. Aber nur an Mitarbeiter, die im Vorjahr keinen einzigen Fehltag hatten! Als Belohnung. Wer dagegen, wie ich, tagelang mit Rückenschmerzen flachlag, der wird vom Rückentraining ausgeschlossen.
    Das ist so, als würde man Rettungsringe nicht den Ertrinkenden im offenen Meer, sondern den Passagieren eines sicheren Luxusdampfers zuwerfen. Natürlich werden die meisten Gutscheine niemals eingelöst: Warum sollte jemand, dessen Wirbelsäule vor Gesundheit strotzt, sich im Rückentraining quälen?
    Eine fitte Kollegin, die um mein Rückenleiden weiß, wollte mir ihren Gutschein abtreten. Doch die Personalabteilung wehrte ab: Dass ausgerechnet eine Mitarbeiterin, die mehrere Wochen krank war, diese Belohnung für null Fehltage bekäme – das wäre ja nun wirklich das falsche Signal.
    Wer krank ist, auch wenn er nichts dafür kann, wird dafür bestraft – gleich doppelt, denn seine Krankheit hat er ja auch noch am Hals beziehungsweise Rücken. Meine Gegenwehr: Früher habe ich mich mit starken Rückenschmerzen nach zwei, drei Krankheitstagen sofort wieder in die Firma geschleppt. Heute nehme ich mir mehr Zeit und gehe zur Krankengymnastik. Ohne Gutschein – dafür mit Krankenschein.
    Nina Böhm, Lohnbuchhalterin
    Betr.: Als die Firma ein Auto entführte
    Eigentlich ist die Sache klar geregelt: Je höher einer in der Hackordnung steht, desto dichter darf er vor unserem Firmengebäude parken. Die Oberindianer haben ihre dicken Dienstwagen direkt vorm Gebäude stehen, auf reservierten Stellplätzen. Dagegen parkt das Fußvolk auf einem allgemeinen Parkplatz, 700 Meter vom Gebäude entfernt.
    Â» VIP « nennen wir Mitarbeiter die Stellflächen direkt vorm Haus: V erbotener I dioten- P arkplatz. Denn obwohl die Hälfte der » VIP « jeden Tag leer steht, darf kein Mitarbeiter dort sein Auto abstellen. Nicht wenn es hagelt, nicht wenn Blitze zucken, nicht wenn er schwere Waren ins Firmengebäude transportieren muss.
    Als unser Chef drei Wochen in Urlaub ging, lag ihm mein Kollege Jens in den Ohren. Er musste in dieser Zeit schwere Kisten mit Mustern aus der Fabrik abholen. Normalerweise hieß das: vorm Firmengebäude anhalten, Muster ausladen und hochtragen – dann das Auto 700 Meter zurück auf den allgemeinen Parkplatz fahren. Und dann wieder 700 Meter zum Gebäude marschieren. Dieser Vorgang konnte sich dreimal pro Tag wiederholen. Warum so viel Zeit zwischen Parkplatz und Gebäude verlieren?
    Unser Chef sah das ein: Er trat ihm seinen Parkplatz vorm Gebäude für drei Wochen ab. Stolz platzierte Jens seinen Golf auf dem VIP . Am selben Nachmittag rief ihn eine Kollegin an: »Schau mal aus dem Fenster!« Jens sah gerade noch, wie sein Golf unsanft auf einem Abschleppwagen abgestellt wurde. »Halt!«, rief er und jagte die Treppen runter. Als er unten ankam, fuhr der Abschleppwagen gerade davon. Wir sahen oben vom Fenster, wie er mit den Fäusten fuchtelte.
    Erbost steuerte Jens das Büro der Hausverwaltung an: »Seid ihr verrückt, mich abschleppen zu lassen! Mein Chef hat mir den Parkplatz für seinen Urlaub offiziell abgetreten!«
    Der Hausmeister schüttelte den Kopf. »Diese Parkplätze sind personengebunden. Man kann sie nicht abtreten.«
    Jens kochte. »Aber der Chef hat es mir sogar in einer Mail bestätigt.«
    Â»Solche Einzelabsprachen spielen keine Rolle. Hier greifen die Dienstvorschriften.«
    Jens erfuhr, dass der externe Sicherheitsdienst beauftragt war, täglich die Parkplätze zu prüfen. Falschparker duldete man für zwei Stunden. Danach wurde abgeschleppt, ohne vorher nach dem Besitzer zu fahnden (wie früher üblich). Diese Re­gelung galt seit dem letzten Sommer, als ein Top-Manager während seines Urlaubs in der Firma hatte vorbeischauen wollen und auf seinen besetzten Parkplatz gestoßen war.
    Abends fuhr ich Jens zum Sammelparkplatz des Abschlepp­unternehmens. Mit 150 Euro musste er sein Auto auslösen. Die Firma erstattet ihm das Geld nicht zurück, trotz seiner Absprache mit dem Chef. Dieser Vorfall hat uns wieder einmal daran erinnert, wofür das »I« von VIP steht!
    Dirk Roth, Produktmanager

Das ABC des Wahnsinns
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