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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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Hochzeitskleid trage.
    Sie hat mich frisiert und mir getrocknete Blumen ins Haar geflochten, wie auch sie sie an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Aus Spitze hat sie mir eine Brauthaube gefaltet. Sie sagt, dass ich wunderschön bin.
    Um deinetwillen hoffe ich, dass sie recht hat.
    Irgendwie habe ich gegessen, gebadet, geschlafen, bin aufgestanden und habe mich angezogen.
    Irgendwie muss ich all das getan haben, denn hier stehe ich, kurz vor meiner Hochzeit.
    II
    Maria holt ihr Schultertuch. Leon spricht mich an. Es fällt ihm nicht leicht.
    »Hat Lottie lange gelitten, Miss Finch?«
    »Oh.« Ich wende mich ab.
    Er sucht meinen Blick. »Ich schwöre Ihnen, hätte ich auch nur geahnt …«
    Leon Cartwright. Wegen Maria ist mir die Situation unangenehm. Die arme Lottie. Leon war ihr Verehrer gewesen und musste sich all die Jahre mit der Frage quälen, was geschehen ist, musste all die Jahre trauern.
    »Nicht sehr lange, Mr Cartwright.«
    Seine Augen röten sich. »Ich hätte sie geheiratet. Aber wir waren beide noch so jung.«
    Ich nicke. Junge Liebe ist nicht immer für die Ewigkeit. Das weiß ich allzu gut.
    Maria kommt zurück. Sie strahlt uns an. Leon betrachtet seine Frau.
    »Danke für Ihre guten Wünsche«, sage ich zu Leon. Er nickt.
    III
    Wir sind schon früh in der Kirche. Ich wollte die Dorfbewohner meiden, sofern überhaupt welche kommen. Ich will hier in Ruhe sitzen und nachdenken. Maria hält meine Hand und plaudert.
    Die Tür geht auf. Frisch gekämmt und rasiert betrittst du die Kirche.
    Maria murmelt, sie habe etwas zu Hause vergessen, und zieht sich zurück.
    Du setzt dich vorsichtig neben mich, als könnte ich zerbrechen, wenn du mich berührst. Du siehst mich an. Dein hübsches Gesicht ist voller blauer Flecken. Die Morgensonne bringt deine Augen zum Strahlen. Was dein Blick sagt, weiß ich nicht.
    »Was ist loss?«, frage ich.
    »Nichts.« Du küsst meine Fingerspitzen. Und doch wirkst du so ernst, dass ich mir Sorgen mache.
    Die leere Kirche ist still und hell. Du fährst mit dem Finger über meine Stirn, meine Nase, meine Lippen. Deine Augen tasten mein Gesicht ab.
    Du flüsterst. »Bist du wirklich hier? Bist du wirklich mein?«
    Ich hoffe, mein Blick ist Antwort genug. Zur Sicherheit beiße ich dich in den Finger.
    Dein Lachen hallt in dem hohen Raum wieder. Trotz all der blauen Flecken funkeln deine Augen schelmisch wie so oft. »Geh mit mir in den Westen, Judith. Jetzt gleich. Fee steht draußen. Was meinst du?«
    »In Ordnung. Aber dafür sind wir nichth richtig angezogen.«
    »Das stimmt.« Du zupfst an deinem schwarzen Mantel und meinem Spitzenhäubchen herum. »Wenn wir schon hier sind, können wir genauso gut heiraten.«
    Ich zucke die Schultern. »Wenn du darauf bestehsst.«
    Du küsst noch einmal meine Fingerspitzen.
    »Ich bestehe darauf.«
    Du nimmst meinen Arm. Wir stehen auf und gehen denselben Mittelgang entlang, den wir noch gestern als Gefangene beschritten hatten.
    Reverend Frye humpelt nach vorne. Elizabeth folgt ihm mit der Robe und lächelt mich schüchtern an. Darrel kommt Arm in Arm mit Goody Pruett und winkt mit seinem Hut. Auch Maria und Leon sind zurück. Sie alle bedeuten mir so viel. Ich bin voller Liebe zu ihnen.
    Reverend Frye macht die Sache kurz.
    Und dann bist du mein.
    IV
    Fee zieht den Wagen nach Hause. Selbst sie ist für die Hochzeit geschmückt; ihre Mähne ist geflochten. Zum Glück findet sie allein nach Hause. Wir achten nämlich nicht auf den Weg.
    Werden wir hierbleiben? Werden wir fortgehen? Heute ist kein Tag, um solche Fragen zu beantworten.
    Vor der Tür deines Hauses – unseres Hauses – stehen Körbe mit Essen und Konserven.
    Dein Maultier versucht, davon zu essen.
    Dort steht auch eine Kiste. Eine hölzerne Truhe, auf deren einen Seite FINCH eingebrannt ist. Sie gehörte meinem Vater.
    In der Kiste sind Laken, Handtücher und ein Quilt. Alle Stücke sind feine Näharbeiten meiner Mutter. Ich streiche über die weichen Stoffe.
    Die Truhe ist voller Worte, die meine Mutter nicht sagen kann.
    Wir bringen die Truhe ins Haus und schließen die Tür.

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