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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berry
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gesehen hatte, und von dem Mann, der mich bedrohte. Ich dachte nicht an Flucht. Solche mutigen Gedanken kamen später.
    Aber er schloss mich dennoch ein. Er sagte, er habe etwas zu erledigen. Er nahm etwas Großes mit. Es war in eine Decke gewickelt.
    VII
    Lottie war verliebt. Bestimmt war sie deswegen weggelaufen. Ich machte mir Sorgen um sie, aber nicht so wie die anderen Dorfbewohner. Ich war sicher, dass sie lebte und sich irgendwo mit ihrem Geliebten versteckt hielt. Ich hoffte, dass sie gekommen war, um mir zu erzählen, wer der Junge war. Sie war sicher, dass er sie bald heiraten würde.
    Die Liebe hat ihr nicht mehr Glück gebracht als mir.
    VIII
    Ich denke an das Kleid, das der Müller in der Hand hatte. Schlaff und zerknittert, ausgeblichen und zerfressen. Wie seltsam, dass ich sie einst um dieses Kleid beneidet hatte. Selbst während meiner Jahre mit ihm dachte ich daran. Ironischerweise hatte ich Lottie einst um ihre beiden hübschen Kleider beneidet. Viel genützt haben sie ihr nicht. Dennoch dachte ich oft an das braune Kleid, das so elegant war und gar nicht wie das Kleid, das ich trug, bis er es durch ein anderes ersetzte. Es war längst nicht mehr schön.
    Doch Kleider und solche Dinge waren weder damals wirklich von Bedeutung noch sind sie es heute.
    IX
    Was hatte Abijah Pratt mit einer Laterne vor meinem Haus zu suchen? Warum hasst er mich immer noch so sehr? Lottie starb doch vor langer Zeit.
    »Judith.«
    Die Stimme scheint von weither zu kommen.
    »Judith, ist alles in Ordnung?«
    Mein Hals knallt gegen das obere Brett des Prangers.
    Du. Du sprichst mit mir.
    »Hm-m. Du?«
    »Ich könnte mir Orte vorstellen, an denen ich jetzt lieber wäre.«
    Ich lache verhalten.
    »Ich nicht«, antworte ich. »Mir gefällth es hier gut.«
    Jetzt lachst auch du. Einen Augenblick lang könnte ich vergessen, wo wir gerade sind. Aber dein Lachen erstirbt und wir sind immer noch getrennt.
    »Es tut mir leid«, sagst du.
    »Warum?«
    Du findest nicht die richtigen Worte. »Weil …«
    »Weil du dachtest, du könntesth mich lieben?«
    »Was meinst du?« Du klingst wütend.
    »Nichts. Entschuldigung.«
    Du wirst noch wütender. «Was?«
    »Es tut nichts zur Sache, Lucass. morgen Mittag werde ich tot sein. Finde eine Frau, heirate sie und bekomme mit ihr ein Dutzend Babys.«
    »Was meinst du damit, du wirst morgen Mittag tot sein?«
    Ich bewege den Kopf von links nach rechts und versuche, eine angenehmere Position zu finden. »Sie werden nichth ruhen, ehe sie jemandem die Schuld für Lottie geben können.« Jetzt fang bloß nicht an zu weinen! »Als Hure bin ich kein Verlust.«
    Ich höre nichts als dein Atmen. Aus den Häusern strömen Essensgerüche zu uns herüber.
    »Judith.«
    »Mm?«
    »Judith. Hör zu.«
    Dein Tonfall hält mich von weiteren Tiraden ab. »Ich höre zu.«
    »Ich liebe dich.«
    Oh, Hilfe.
    »Seit ich ein Junge war, habe ich dich geliebt. Glaubst du mir das?«
    Meine plötzlichen Tränen wurden nicht durch die Kälte verursacht. Und ich kann sie nicht einmal wegwischen.
    Deine Stimme ist warm und voller Liebe. »Du musst mir glauben.«
    »Ich glaube dhir«, schniefe ich.
    »Gut.« Jetzt ändert sich dein Tonfall. »Dann werde ich ihnen sagen, dass ich meinem Vater bei Lottie Pratts Entführung geholfen habe.«
    »Nein!«
    Horace Bron sieht zu uns hinüber.
    »Nein«, wiederhole ich etwas leiser.
    »Ich tue es. Und du bist frei.«
    »Nein, bin ich nichth«, rufe ich. »Sie werden mich nichth freilassen.«
    Nach kurzem Schweigen sagst du: »Dann werde ich einen Weg finden, dich zu retten, wenn ich frei bin.«
    »Ach ja? Und was dann?«
    »Dann reiten wir auf Fee davon und beginnen unser gemeinsames Leben.«
    Du schniefst. Die Kälte macht auch dir zu schaffen. »Vielleicht finden wir meine Mutter.«
    Oh Liebling. Du denkst immer noch an sie. Natürlich denkst du an sie.
    »Warum zögerst du, Judith? Liebst du mich nicht?«
    Ich will nicht länger weinen. Nicht hier.
    »Lucass … würdest du mich lieben, wenn dein Vater sich … mir aufgedrängt hätte?«
    Ohne zu zögern sagst du mutig: »Ja.« Ich halte inne, um die Bedeutung dieser Aussage zu begreifen.
    »Und wenn ich … mich dir aufgedrängt hätte in jener Nacht im Wald?« Ich muss beinahe lächeln, weil ich mir dein Unbehagen vorstelle.
    »Ja«, sagst du nicht ohne Verlegenheit.
    Die nächste Frage kann ich kaum aussprechen: »Und wenn ich verssuchth hätte, Rupert Gilliss zu verführen?«
    Du schweigst lange. »Ich würde dich noch lieben«,

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