Ich bin eine Nomadin
Institution, die mehr tun kann und muss, ist die Frauenbewegung. Die Feministinnen im Westen sollten die Notlage muslimischer Frauen erkennen und sich darum kümmern. Sie sollten es sich zum Ziel machen, der muslimischen Frau eine Stimme zu geben. Die Feministinnen der westlichen Welt haben vielfältige Erfahrungen und Talente zu ihrer Verfügung. Ihren muslimischen »Schwestern« können sie auf dreierlei Art helfen: Zunächst müssen sie sicherstellen, dass muslimische Mädchen eine vollständige Ausbildung erhalten. Zweitens müssen sie ihnen helfen, dass sie selbst über ihren Körper und mithin ihre Sexualität verfügen können. Und drittens müssen muslimische Frauen nicht nur Zugang zur Arbeitswelt erhalten, sondern dort auch auf Dauer Fuß fassen können. Anders als muslimische Frauen in islamischen Ländern und westliche Frauen in der Vergangenheit stehen Musliminnen im Westen unter einem besonderen Zwang seitens ihrer Familien und Glaubensgemeinschaften. Es reicht nicht, die Problematik als »häusliche Gewalt« zu klassifizieren. In der Praxis mag die Gewalt häuslich sein, doch von ihrer Natur her ist es rechtliche und kulturelle Gewalt. Eigene Kampagnen sollten sich mit den speziellen Umständen muslimischer Frauen befassen und mit den Gefahren, die ihnen im Westen drohen. Sie sollten muslimischen Männern erklären, wie wichtig die weibliche Emanzipation ist, und sie bestrafen, wenn sie Gewalt anwenden, um Musliminnen vor körperlichem Schaden zu beschützen.
Die dritte und letzte Institution, die sich dieser Herausforderung stellen sollte, ist die Gemeinschaft der christlichen Kirchen. Ich bin mittlerweile Atheistin, aber ich kenne viele Muslime, die sagen, dass sie einen spirituellen Halt im Leben brauchen. Ich hatte bereits das Vergnügen, Christen kennenzulernen, deren Gottesvorstellung unendlich weit von Allah entfernt ist. Ihre reformerische, teilweise säkularisierte Haltung kann im Kampf gegen den islamischen Fanatismus sehr hilfreich sein. Ihr moderner christlicher Gott ist gleichbedeutend mit Liebe. Seine Vertreter predigen nicht Hass, Intoleranz und Zwietracht. Ihr Gott ist gütig, strebt nicht nach Macht im Staat und sieht in den Naturwissenschaften keine Konkurrenz. Für seine Anhänger ist die Bibel ein Buch mit Parabeln, nicht etwa direkten Anweisungen, die wortwörtlich zu befolgen sind.
Gegenwärtig gibt es zwei extreme Strömungen im Christentum, die beide eine Belastung für die westliche Zivilisation darstellen. Die eine Gruppe verdammt andere Gruppen, sie nimmt die Bibel wörtlich und lehnt naturwissenschaftliche Erklärungen für die Existenz des Menschen und der Natur ab, verweist stattdessen auf einen göttlichen Schöpfungsplan. Solche fundamentalistischen christlichen Bewegungen investieren sehr viel Zeit und Energie in die Missionierung anderer. Viel von dem, was sie predigen, widerspricht den Kernprinzipien der Aufklärung. Das andere Extrem stellen jene Christen dar, die dem Islam gegenüber Beschwichtigung betreiben wie etwa der Erzbischof von Canterbury, das geistliche Oberhaupt der Kirche von England, der sich für die Zulassung der Scharia in England ausgesprochen hat. Die Anhänger eines moderaten, friedlichen, reformerischen Christentums sind nicht so aktiv wie die erstgenannte Gruppe und melden sich nicht so laut zu Wort wie die zweite. Sie sollten es aber. Das Christentum der Liebe und der Toleranz ist und bleibt eines der mächtigsten Instrumente, die dem Westen gegen den Islam des Hasses und der Intoleranz zur Verfügung stehen. Konvertierte Muslime finden die Gestalt Jesu Christi humaner und attraktiver als Mohammed, den Begründer des Islam.
Meine Zeit als Nomadin nähert sich dem Ende. Mein Ziel waren, wie sich herausstellte, die Vereinigten Staaten, wie für viele Millionen Migranten in den letzten zweihundert Jahren auch. Amerika ist heute mein Zuhause. In Freud und Leid teile ich das Schicksal anderer Amerikaner, und ich möchte mich dafür, dass sie mich großzügig in ihrer einzigartigen freien Gesellschaft willkommen geheißen haben, revanchieren, indem ich das, was ich in meinen Jahren als muslimische Stammesnomadin erfahren habe, mit ihnen teile.
Die Botschaft von Ich bin eine Nomadin ist klar und lässt sich gleich zu Beginn so formulieren: Der Westen muss mit den Dschihadisten, den Befürwortern des »Heiligen Krieges«, um die Herzen und den Verstand der muslimischen Immigranten kämpfen. Er muss ihnen Bildung angedeihen lassen, die den Bann
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