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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Ich glaube aber, dass die dysfunktionale muslimische Familie eine reale Bedrohung für das Gefüge darstellt, das den westlichen Lebensstil trägt.
    Die Familie ist ausschlaggebend für die menschlichen Werte. In der Familie werden Kinder dazu erzogen, den Normen der Kultur, in der ihre Eltern zu Hause sind, zu entsprechen und sie zu vertreten. In der Familie wird ein Kreislauf von Loyalitäten etabliert und an künftige Generationen weitergegeben. Daher ist es überaus wichtig, dass wir die Dynamik der muslimischen Familie begreifen, denn sie ist (unter anderem) der Schlüssel dazu, warum so viele junge Muslime anfällig sind für den islamischen Radikalismus. Vor allem durch die Familien finden Verschwörungstheorien ihren Weg von den Moscheen und Koranschulen Saudi-Arabiens und Ägyptens in holländische, französische und amerikanische Wohnzimmer.
    In Europa und den Vereinigten Staaten bestreiten viele die These, dass wir einen Kampf der Kulturen zwischen dem Islam und dem Westen erleben. Doch eine radikale muslimische Minderheit ist der festen Überzeugung, dass der Islam unter Beschuss steht. Diese Minderheit setzt alles daran, den Heiligen Krieg gegen den Westen zu gewinnen. Ziel ist die Wiederherstellung eines theokratischen Kalifats in den muslimischen Ländern und die anschließende Ausdehnung über den Rest der Welt. Eine andere, größere Gruppe von Muslimen, überwiegend in Europa und den USA, glaubt, dass von Glaubensgenossen verübte Terroranschläge eine heftige Gegenreaktion des Westens auslösen werden, die sich wahllos gegen alle Muslime richtet. (Obwohl tatsächlich nur wenig für eine solche Annahme spricht, hält sich diese Befürchtung unter muslimischen Immigranten hartnäckig und wird von Radikalen weiter angeheizt.) Aufgrund des kollektiven Gefühls, Verfolgte zu sein, schotten sich viele im Westen lebende muslimische Familien in selbst geschaffenen Gettos ab. In den Gettos kultivieren die Verfechter des radikalen Islam ihre Botschaft des Hasses und werben Fußsoldaten, die als Märtyrer für ihre verdrehte Weltsicht kämpfen. Unzufriedene, desorientierte Jugendliche aus dysfunktionalen Immigrantenfamilien geben die perfekten Rekruten ab. Da sich die Immigration aus der muslimischen Welt fortsetzt und muslimische Familien eine deutlich höhere Geburtenrate aufweisen, gehen wir ein großes Risiko ein, wenn wir diesem Phänomen keine Beachtung schenken.
    Als Insider kann ich das Problem ganz einfach anhand meiner Entwicklungsjahre darstellen. In Ich bin eine Nomadin beschreibe ich, welche Beziehung mein Vater und meine Mutter im Kreis der Familie pflegten (oder auch nicht) und welche Erwartungen sie an ihre Kinder hatten, wie sie ihre Elternrolle verstanden. Ich gehe auf die Identitätskrise ein, die sie ihren Kindern vermachten, ihre zwiespältige Haltung zur Sexualität, zum Geld und zur Gewalt, und zeige vor allem auf, wie die Religion unser Familienleben deformierte.

    Manchmal frage ich mich, was aus mir geworden wäre, wenn mein Vater uns in Kenia nicht verlassen hätte. Wäre er geblieben, hätte er mich wohl schon in jüngerem Alter verheiratet, und ich hätte niemals den Mut aufgebracht oder auch nur die Chance gehabt, zu fliehen und nach einem besseren Leben zu suchen. Wäre meine Familie nie aus Somalia weggegangen oder hätte meine Mutter ihren Willen durchgesetzt und mich nicht zur Schule gehen lassen, so hätte die Saat meiner Rebellion nicht aufgehen können, und ich hätte wohl nie nach einem Leben gestrebt, das anders war als das gewohnte, aber auch anders als das, das meine Eltern für mich planten. Viele Umstände und Entscheidungen in meinem Leben konnte ich demnach gar nicht beeinflussen, und erst im Rückblick sehe ich die Chancen, die ich hatte, um mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
    Ich musste teures Lehrgeld zahlen für die Erkenntnis, wie schwierig es ist, eine selbstständige Persönlichkeit zu entwickeln, wenn man zwischen zwei Wertesystemen eingeklemmt ist, wenn man den Spagat macht zwischen dem Westen und dem Islam, wenn man ein Doppelleben führt, nach außen hin eine moderne Haltung und Selbstvertrauen vorgibt, innerlich aber der Tradition des Clans verhaftet und in Abhängigkeit von ihm bleibt. Es hat mich zutiefst geschmerzt, meinen Vater verlassen zu müssen und mich durch meine Flucht dem Zorn des Clans auszusetzen. Der Gedanke an die Folgen meiner Abkehr vom Islam – nicht für mich, sondern für meine Eltern und Verwandten – bereitete mir größte

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