Ich Bin Gott
ihm gegangen.
Sie haben kurz miteinander gesprochen, dann ist er verschwunden. Ich habe gesehen, wie meine Tante ihm nachgeschaut hat. Der Regen ist ihr ins Gesicht geprasselt und hat das Salz der Tränen weggewaschen.
Als sie wieder bei mir war, habe ich eine neue Traurigkeit in ihren Augen gesehen, die anders war als die um meine Mutter.
Ich habe ihre Hand gedrückt, und sie hat verstanden. Irgendwann werden wir sicher einmal darüber reden.
Jetzt bin ich hier, immer noch im Joy, und sitze im Garten. Der Himmel über mir hat keinen Regen mehr. Vor mir glitzert die Sonne auf einem Streifen Wasser. Das ist vermutlich ein gutes Zeichen. Auch wenn das Haus noch von Geistern bewohnt zu sein scheint, bin ich mir sicher, dass wir bald wieder reden werden, bis wir dann irgendwann auch wieder lachen können. Auf ganz einfache Weise habe ich hier viele Dinge begriffen, Tag für Tag. Während ich versucht habe, die anderen zu verstehen, habe ich mich selbst besser verstehen gelernt.
Ich habe erfahren, dass das Zentrum nicht geschlossen wird, weil sich die Regierung und noch viele andere Leute für seinen Erhalt starkmachen. Und obwohl Vivien gesagt hat, dass ich bei ihr wohnen kann, möchte ich erst einmal hierbleiben, um zu helfen, wenn es erwünscht ist. Ich brauche das Joy nicht mehr, doch ich bilde mir ein, dass das Joy mich braucht.
Ich heiße Sundance Green und werde morgen achtzehn Jahre alt.
Ich drücke den Knopf der Sprechanlage und höre die Stimme meiner überaus tüchtigen Sekretärin.
» Mr. Wade?«
» Stellen Sie in der nächsten Viertelstunde bitte keine Telefonate durch.«
» Wie Sie wünschen.«
» Oder sagen wir besser, in der nächsten halben Stunde.«
» In Ordnung. Gute Lektüre wünsche ich, Mr. Wade.«
Ihre Stimme hört sich fast amüsiert an. Vermutlich weiß sie, warum ich mir diese Auszeit nehme. Im Übrigen hat sie mir selbst vorhin die Ausgabe der New York Times gebracht, die jetzt vor mir auf dem Schreibtisch liegt. Die Schlagzeile auf der ersten Seite könnte man von einem Flugzeug aus lesen.
Die wahre Geschichte eines falschen Namens – Teil drei
Was mich am meisten interessiert, ist der Name des Verfassers.
Ich beginne zu lesen, und mir genügen einige Spalten, um festzustellen, dass der Artikel verflucht gut geschrieben ist. Zunächst bin ich so überrascht, dass ich mir den Stolz für später aufhebe. Russell hat die Fähigkeit, den Leser vollkommen mitzureißen, und während die Geschichte selbst zweifellos spannend ist, kann man die Art und Weise, wie er sie erzählt, nur meisterlich nennen.
Das Lämpchen an der Sprechanlage blinkt auf. Zu meiner Überraschung höre ich wieder die Stimme meiner Sekretärin.
» Mr. Wade …«
» Was ist denn? Ich habe doch gesagt, dass ich nicht gestört werden will.«
» Ihr Sohn ist hier.«
» Schicken Sie ihn herein.«
Ich lege die Zeitung in die Schreibtischschublade. Natürlich könnte ich behaupten, dass ich das tue, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.
Doch ich würde lügen.
In Wirklichkeit tu ich es, um nicht selbst in Verlegenheit zu geraten. Ich verabscheue dieses Gefühl und habe schon Hunderttausende von Dollar ausgegeben, um mich davor zu schützen.
Kurz darauf kommt Russell herein. Er wirkt ruhig und ausgeruht, ist einigermaßen anständig angezogen und hat sich sogar rasiert.
» Hallo, Papa.«
» Hallo, Russell. Ich gratuliere dir. Sieht so aus, als wärst du eine Berühmtheit geworden. Und ich bin überzeugt davon, dass es dir einen Haufen Geld einbringt.«
Russell zuckt mit den Schultern.
» Es gibt Dinge im Leben, die man nicht mit Geld kaufen kann.«
Ich zucke ebenfalls mit den Schultern.
» Das glaube ich gern, aber mit so etwas habe ich nicht viel Erfahrung. Ich habe mich meistens mit den anderen Dingen befasst.«
Er nimmt mir gegenüber Platz und sieht mich an. Ein schönes Gefühl.
» Was kann ich nach diesem philosophischen Exkurs für dich tun?«
» Ich bin hier, um mich bei dir zu bedanken. Und um ins Geschäft zu kommen.«
Ich warte, dass er weiterspricht. Trotz seiner zahlreichen Fehler besaß mein Sohn immer schon die Fähigkeit, mich neugierig zu machen. Abgesehen davon natürlich, dass er mich wie kein anderer auf die Palme bringen konnte.
» Ohne deine Hilfe wäre ich nie so weit gekommen. Dafür werde ich dir mein Leben lang dankbar sein.«
Diese Worte gefallen mir sehr. Ich hätte mir nie vorstellen können, sie eines Tages aus Russells Mund zu hören. Doch meine Neugierde ist noch
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