Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
von meiner Mutter, wenn ich vorlaut war oder nicht gehorchte. Und Vater holte oft den Gürtel und dann gab es ordentlich was auf den Hintern. Vater hat mich reichlich geprügelt. Bis zu seinem Tod stand das zwischen uns. Ich schwor mir, bei einem eigenen Kind anders zu sein. Tolerant. Nicht gewalttätig. Man muss über Dinge hinwegsehen können. Auf keinen Fall wollte ich das, was ich selbst erlebte, an mein Kind weitergeben, auch wenn behauptet wird, Eltern täten das. Ich glaube das nicht.«
» Siehst du, das meine ich. Oliver ist immer brav. Man muss ihn nicht ausschimpfen, er tut, was man ihm sagt. Ein Zehnjähriger, der tut, was man ihm sagt. Das gibt es nicht. Und wie war es früher? Keine Trotzanfälle, kein Hinwerfen im Laden, wenn er Süßigkeiten sah, kein Steifmachen, wenn er seinen Willen wollte.«
» Wir haben ihn gut erzogen, voller Liebe.«
» Ja, das haben wir. Ist dir aufgefallen, wie er sich kleidet? In seinem Alter fangen Jungs an, sich entsprechend anzuziehen. Und Oliver? Keine Schlabberhosen, die ihm in den Knien hängen, keine Shirts für Riesen oder Baseballkappen. Ich habe ihn gefragt und er sagte, er würde nicht einsehen, warum er sich wie ein Schwarzer kleiden soll, wenn er keiner ist. Und mit dieser Rapmusik hat er auch nichts am Hut. Die Texte würde sowieso keiner verstehen, sagte er, und das sei unbedingt notwendig. Diese Denkweise finde ich ungewöhnlich für einen Zehnjährigen, verstehst du? Wissen wir wirklich, was in ihm vorgeht, oder betrachten wir ihn nur als unseren Sonnenstern? Wir sind so stolz auf ihn, dass wir vergessen, dass er ein Indivdi ...«
» Individuum.«
» Dass er ein Individuum ist. Er ist nicht nur der brave, süße Junge, sondern ihn beschäftigen Dinge. Ich hab den Eindruck, wir sprechen zu selten mit ihm. Eben weil er so leicht zu führen ist.«
Da war es wieder. Obwohl Daniela Bildung fehlte, war ihre emotionale Intelligenz überwältigend. Ihr Einwand klang vernünftig, doch Stefan wehrte ihn ab. »Du machst dir zu viele Gedanken. Lass uns froh darüber sein, dass er ein guter Junge ist. Wenn du erst bei Aldi anfängst, wird dich das auf andere Gedanken bringen.«
Sie blickte ihn lange an und schwieg.
Im Apfelbaum zwitscherten Vögel, eine milde Brise strich über den makellosen Rasen, auf den Holzbohlen der Terrasse kämpften zwei Wespen miteinander.
4
Oliver mochte den Jungen nicht.
Genau genommen hasste er ihn. Das zeigte er nicht, aber in ihm brodelte es, wenn Kevin Dunker sich zu ihm beugte, um abzuschreiben. Oliver war keines der Kinder, die den eigenen Text mit dem Unterarm oder der Hand verdeckten, so etwas fand er kindisch. Aber er bestand darauf, dass seine eigene Leistung gewürdigt wurde, was nicht geschah, wenn man sie ihm stahl.
Außerdem stank Kevin, denn er war fett.
Oliver, ein schlanker Junge, nicht besonders gut im Sport, aber dennoch sehnig und gelenkig, hatte vieles über falsche Ernährung gelesen. Während seine Schulkameraden mit ihren Handys hantierten oder über World of Warcraft palaverten und darüber, wie man sich einloggen konnte, ohne dass die Eltern es merkten, während manche voller Stolz die Adressen von Pornowebsites austauschten, wo man sich die ganze Ferkelei kostenlos anschauen konnte, während Jungen und Mädchen erste zarte Bande knüpften und sich heiße Textnachrichten schickten, hatte Oliver mehr Vergnügen dabei, den neuesten Spiegel oder Fokus zu lesen, manchmal auch den Stern , wo er interessante Themen fand.
Kevin stank nicht nur, sondern fraß auch Müll.
So wie Ratten Müll fraßen.
Oliver hätte es nicht gewundert, würde Kevin Krankheiten verbreiten, denn Mundgeruch hatte er auch. Kein Wunder, wenn man sich von Burgern ernährte und andauernd Red Bull trank.
»Lass das«, sagte Oliver leise. Seit zehn Minuten war es ganz still im Klassenzimmer. Mathearbeit. Ächzen. Kratzen am Kopf, unter den Haaren. Kauen auf dem Schreibstift. Hilflose Blicke. Und Lehrer Bongartz, der so tat, als sähe er nichts und dennoch jeden Schüler im Auge hatte. Abschreiben galt nicht und wer mit einem Handy oder einem Spickzettel erwischt wurde, hatte ein Problem.
Kevin machte einen langen Hals, wenn man von dem Fettrand unter seinem Kinn von einem Hals sprechen konnte.
»Lass das«, wiederholte Oliver.
» Arschgesicht ...«, jammerte Kevin. »Sei doch nicht so.«
Dostojewski hatte Recht. Läuse waren dazu da, sie auszumerzen. Und es gab so viele von ihnen, nicht nur alte Weiber. Wohin Oliver blickte, sah
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