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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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begann sie.
    »Dass Luft ins System gelangt«, fuhr Neville fort. »Er lässt sie ein und hält das Fleisch offen, sodass der flüssige Körperklebestoff die Wunde nicht schließen kann. Das Herz hat absolut nichts damit zu tun. Ich schneide jetzt nur noch so tief in die Handgelenke, dass dieses Körperbindemittel nichts mehr ausrichten kann.« Er lächelte ein wenig. »Wenn ich daran denke, wie viel Zeit ich zur Herstellung der Pfähle brauchte!«
    Sie nickte. Dabei fiel ihr Blick auf das Weinglas in ihrer Hand. Sie stellte es ab.
    »Deshalb zersetzte sich der Körper der Frau so schnell«, sagte er. »Sie war schon so lange tot, dass der Bazillus, kaum dass die Luft ins System drang, die sofortige Auflösung herbeiführte.«
    Ruth schluckte; sie schauderte sichtlich.
    »Wie grauenvoll«, sagte sie.
    Er blickte sie überrascht an. Grauenvoll? War das nicht seltsam? Seit Jahren hatte er das nicht mehr gedacht. Das Wort »grauenvoll« hatte seine Bedeutung für ihn verloren. Ein Übermaß an Grauen machte das Wort zum Klischee. Für Robert Neville existierte die Situation lediglich als natürliche Tatsache. Adjektive gab es dafür nicht.
    »Und was ist ... ist mit denen, die noch leben?«, fragte Ruth. »Wenn man ihnen die Pulsadern aufschneidet, wird selbstverständlich auch bei ihnen der Bazillus zum Parasiten. Aber ihr Tod ist ganz normaler Verblutung zuzuschreiben.«
    »Normaler ...«
    Sie wandte schnell den Kopf ab. Die Lippen hatte sie zu einem dünnen Strich zusammengepresst.
    »Was hast du denn?«, fragte er.
    »N-nichts. Gar nichts«, antwortete sie.
    Er lächelte. »Man gewöhnt sich daran«, versicherte er. »Es bleibt einem gar nichts anderes übrig.«
    Wieder schauderte sie, und er sah, wie sie schluckte.
    »Im Dschungel kann man nicht nach den Gesetzen der Zivilisation leben«, sagte er. »Glaub mir, es ist das Einzige, was wir tun können. Hältst du es vielleicht für besser, sie an der Seuche sterben und dann - auf wirklich schreckliche Weise - wiederkommen zu lassen?«
    Sie presste die Hände zusammen.
    »Hast du nicht gesagt, dass so viele von ihnen - noch leben?«, fragte sie nervös. »Woher willst du wissen, dass sie nicht am Leben bleiben würden?«
    »Ich weiß es«, versicherte er ihr. »Ich kenne den Bazillus und weiß, wie er sich vermehrt. Egal, wie lange ihre Körper sich dagegen wehren, am Ende siegt doch er. Ich stellte Antibiotika her und injizierte es Dutzenden von ihnen. Aber es wirkt nicht, es kann nicht wirken. Wie sollten Impfstoffe denn noch Erfolg haben, wenn die Krankheit längst tief in ihnen steckt? Ihre Körper sind nicht imstande, gleichzeitig gegen die Erreger zu kämpfen und Abwehrstoffe zu bilden. Nein, glaub mir, das ist unmöglich. Töte ich sie nicht, sterben sie früher oder später und verfolgen mich als Untote. Ich habe keine Wahl, absolut keine Wahl.«
    Sie schwiegen. Das einzige Geräusch war die Grammophonnadel, die auf den inneren Rillen der Platte kratzte. Ruth schaute ihn nicht an. Mit leerem Blick starrte sie auf den Boden. Es ist seltsam, dachte er, jetzt habe ich schon fast das Gefühl, dass ich mich für etwas verteidigen muss, das ich gestern noch als absolute Notwendigkeit angesehen habe. In all den Jahren hatte er nie auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass er im Unrecht sein könnte. Es hatte Ruths Anwesenheit bedurft, diese Gedanken ins Rollen zu bringen - und es waren wahrhaftig ungewöhnliche, fremdartige Gedanken.
    »Meinst du tatsächlich, dass ich im Unrecht bin?«, fragte er hörbar ungläubig.
    Sie biss sich auf die Unterlippe.
    »Ruth!«, sagte er.
    »Nicht ich verurteile dich«, murmelte sie.

18
    »Virginia!«
    Die dunkle Gestalt drückte sich an die Wand, als Robert Nevilles heiserer Schrei die Stille der Nacht brach.
    Unsicher richtete er sich auf der Couch auf und starrte nicht allzu wach durch das Zimmer. Sein Herz hämmerte wie verzweifelte Fäuste an eine Verliesmauer.
    Er taumelte auf die Beine. Er war noch nicht völlig wach und wusste weder, wo er war, noch, wie spät es sein mochte.
    »Virginia?«, fragte er erneut mit schwacher bebender Stimme. »Virginia?«
    »Ich ... ich bin es«, antwortete eine zögernde Stimme in der Dunkelheit.
    Er machte einen schwankenden Schritt auf den dünnen Lichtstrahl zu, der durch das offene Guckloch fiel. Stumpf blinzelte er ins Licht.
    Sie keuchte, als er die Hand ausstreckte und ihre Schulter umklammerte.
    »Ich bin es, Ruth. Ruth! «, wisperte sie verstört.
    Er taumelte leicht und

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