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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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seine Hoffnung nicht groß war. Doch was war, wenn er den Vampiris -Bazillus nicht in ihrem Blut entdeckte? Irgendwie erschreckte diese Möglichkeit ihn noch mehr. War sie infiziert, würde sein Leben weitergehen wie zuvor. Blieb sie jedoch, musste sich zwangsläufig eine engere Beziehung zwischen ihnen entwickeln. Sie würden vielleicht Mann und Frau werden, Kinder haben ...
    Ja, und das erschreckte ihn noch mehr!
    Ihm wurde mit einem Mal klar, dass er sich zum selbstsüchtigen eingefleischten Junggesellen entwickelt hatte. Er dachte schon lange nicht mehr an seine Frau, sein Kind, sein vergangenes Leben. Die Gegenwart genügte ihm völlig. Und er fürchtete sich vor dem moralischen Verlangen, Opfer bringen und Verantwortung auf sich nehmen zu müssen. Ja, er hatte Angst davor, noch einmal sein Herz zu verschenken, die Eisenbänder abzuzwicken, die er um es herum geschmiedet hatte, um seine Gefühle gefangen zu halten. Kurz gesagt, es bangte ihn davor, wieder zu lieben.
    Als sie aus dem Bad zurückkam, hing er immer noch seinen Gedanken nach. Es war ihm gar nicht aufgefallen, dass die Grammophonnadel in der letzten Rille kratzte.
    Ruth drehte die Schallplatte um. Der dritte Satz der Symphonie begann.
    »Also, was ist mit Cortman?«, fragte sie, während sie sich setzte.
    Er starrte sie verwirrt an. »Cortman?«
    »Du wolltest mir doch etwas über ihn und das Kreuz erzählen.«
    »Ach so, ja. Nun, eines Nachts zwang ich ihn, hier hereinzukommen. Ich zeigte ihm das Kreuz.«
    »Und? Was passierte?«
    Soll ich sie gleich töten? Soll ich ihr Blut gar nicht erst lange untersuchen, sondern sie sofort umbringen und verbrennen?
    Er schluckte trocken. Diese Gedanken waren der schreckliche Beweis, dass er sich der neuen Welt angepasst hatte, dieser Welt, in der es leichter fiel, zu morden als zu hoffen.
    Ganz so weit bin ich wohl doch noch nicht, dachte er. Ich bin schließlich ein Mensch, keine Vernichtungsmaschine.
    »Was hast du denn?«, fragte Ruth nervös.
    »Was?«
    »Du starrst mich so - komisch an.«
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich mit kalter Stimme. »Ich ... ich habe nur nachgedacht.«
    Sie drängte ihn nicht weiter. Stumm nippte sie an ihrem Wein; dabei bemerkte er, dass ihre Hand, die das Glas umfasst hielt, zitterte. Er zwang sich zu anderen Gedanken. Sie sollte nicht erraten können, was in ihm vorging.
    »Als ich ihm das Kruzifix zeigte, lachte er mir ins Gesicht«, sagte er.
    Sie nickte nur.
    »Aber als ich ihm die Thora vor die Augen hielt, kam es zur erwarteten Reaktion.«
    »Die - was?«, fragte sie verblüfft.
    »Das Deuteronomium - das 5. Buch Moses. Die Thora ist als das Gesetz Gottes das Kernstück jüdischen Glaubens.«
    »Und damit hast du eine Reaktion erzielt?«
    »Ja. Ich hatte ihn an einen Stuhl gebunden, doch als er die Thora sah, riss er sich mit übermenschlichen Kräften los und griff mich an.«
    »Und wie ging es weiter?« Sie schien ihre Furcht wieder abgelegt zu haben.
    »Er hieb mir etwas auf den Kopf - was, weiß ich nicht mehr. Es fehlte nicht viel, und ich hätte die Besinnung verloren, aber so gelang es mir gerade noch, ihn mit der Thora zur Tür zu treiben und hinaus auf die Veranda.«
    »Oh.«
    »Du siehst also, das Kreuz hat durchaus nicht die Kraft, wie in der Sage behauptet wird. Ich habe meine eigene Theorie darüber. Die Vampirsage kam ursprünglich aus Europa, in diesem Kontinent ist der Katholizismus am weitesten verbreitet, und so wurde natürlich das Kruzifix als das Hauptsymbol bei der Verteidigung gegen die Mächte der Finsternis erachtet.«
    »Hättest du denn mit deiner Pistole nicht mehr erreicht?«, fragte sie.
    »Woher weißt du denn, dass ich eine habe?«
    »Ich ... ich nehme es an«, antwortete sie. » Wir hatten Pistolen.«
    »Dann müsstest du doch wissen, dass mit Kugeln bei Vampiren nichts auszurichten ist.«
    »Wir waren - uns nie sicher«, sagte sie und fuhr hastig fort: »Hast du eine Ahnung, weshalb nicht? Wieso können Kugeln ihnen nichts anhaben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, dahinter bin ich noch nicht gekommen.«
    Eine Weile lauschten sie stumm der Musik.
    Natürlich kannte er den Grund, aber in seinem Misstrauen hielt er es für sicherer, es ihr nicht zu sagen.
    Durch seine Experimente mit toten Vampiren hatte er entdeckt, dass der Bazillus die Bildung einer stark klebenden Körperflüssigkeit auslöste, die die Kugellöcher sofort verschloss. Die Kugeln selbst wurden nahezu unmittelbar eingehüllt und abgekapselt. Und da das ganze System

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