Ich bin Legende
Spülbeckens. Er drückte auf den Wandschalter. Das Licht flackerte erst unsicher, ehe es in normaler Stärke brannte. Verärgert fluchte er. Der Generator hatte wieder mal seine Mucken, was bedeutete, dass er das verdammte Handbuch studieren und die Leitungen überprüfen musste. Wenn die Reparatur sich als zu schwierig erwies, blieb ihm nichts anderes übrig, als einen neuen Generator anzuschließen.
Verärgert zog er sich einen hohen Hocker zum Spülbecken, griff nach einem Messer und setzte sich leise fluchend hin.
Er schälte die Knollen ab, bis die Zehen auseinanderfielen, dann halbierte er jede der klebrigen rosigen Zehen. Der aufdringliche Geruch verteilte sich in der ganzen Küche, bis er es nicht mehr aushielt und den Dunstabzug einschaltete, der zumindest so viel ins Freie sog, dass es in der Küche wieder einigermaßen erträglich war.
Darauf holte er sich ein Cocktailspießchen, bohrte ein Loch in jede Zehenhälfte und reihte sie auf Draht auf, bis er etwa fünfundzwanzig penetrant riechende Halsketten beisammen hatte.
Anfangs hatte er diese Knoblauchketten vor die Fenster gehängt. Doch sie hatten sie aus der Ferne mit Steinen bombardiert, bis er sich gezwungen sah, die zerbrochenen Scheiben mit Sperrholzplatten zu bedecken. Eines Tages hatte er dann das Sperrholz heruntergerissen und die Fenster mit Brettern verschlagen. Dadurch war das Haus zwar zur düsteren Gruft geworden, aber das fand er immer noch besser, als wenn ständig Steine unter einem Hagel zersplitternden Glases in seine Zimmer flogen. Und nachdem er drei Klimaanlagen eingebaut hatte, war es auch gar nicht mehr so schlimm. Man konnte sich wirklich an alles gewöhnen, wenn es sein musste.
Mit den Knoblauchketten ging er hinaus und nagelte sie an die verschlagenen Fenster. Die alten nahm er ab, denn der Geruch, der noch von ihnen ausging, war mittlerweile viel zu schwach.
Zweimal in der Woche musste er all das tun. Solange er nicht etwas Besseres fand, war das seine vorderste Verteidigungslinie.
Verteidigung?, dachte er oft. Wozu?
Den ganzen Nachmittag über fertigte er Pfähle an.
Er drechselte sie aus dickem Dübelholz, das er mit der Bandsäge in gut handlange Stücke geschnitten hatte, und hielt sie an die sich schnell drehende Schleifscheibe, bis ihre Spitzen scharf wie die von Dolchen waren.
Es war ermüdende, eintönige Arbeit, die die Luft mit heiß riechendem Holzstaub füllte, der in Poren, Nase, Mund und Lunge drang und ihn zum Niesen und Husten reizte.
Einen wirklichen Vorrat schaffte er nie. Egal wie viele Pfähle er machte, sie waren im Nu alle. Und an Dübelholz war immer schwerer heranzukommen. Bald würde er sich mit Latten begnügen müssen und die bearbeiten. Das wird erst ein Vergnügen sein, dachte er missmutig.
Es war alles so schrecklich bedrückend, dass er sich vornahm, eine bessere Methode zu finden, sich ihrer zu entledigen. Aber wie konnte er sie finden, wenn sie ihm nie Zeit ließen, sich damit zu beschäftigen?
Beim Drechseln hörte er sich Schallplatten über den Lautsprecher an, den er im Schlafzimmer installiert hatte - Beethovens 3., 7. und 9. Symphonie. Er war froh, dass er schon früh, von seiner Mutter, gelernt hatte, diese Art von Musik zu schätzen. Sie half die schreckliche Leere so mancher Stunde zu füllen.
Ab sechzehn Uhr blickte er immer öfter auf die Wanduhr. Er arbeitete stumm, mit zusammengepressten Lippen, einer Zigarette im Mundwinkel und den Augen auf der Schleifscheibe, von der der mehlige Staub auf den Boden niedersank.
Sechzehn Uhr fünfzehn. Sechzehn Uhr dreißig. Sechzehn Uhr fünfundvierzig.
In einer Stunde würden sie wieder am Haus sein, die verdammten Bastarde - sobald das Tageslicht erloschen war.
Er stand am riesigen Tiefkühlschrank und überlegte, was er zu Abend essen sollte. Seine Augen wanderten müde über die Fächer mit Fleisch, allen möglichen Gemüsesorten, Brot, Torten, Kuchen und anderem Gebäck, Obst und Eiskrem.
Er entschloss sich für zwei Lammkoteletts, Brechbohnen und eine kleine Packung Orangeneis, nahm alles aus dem Schrank und stieß die Tür mit dem Ellbogen zu.
Als Nächstes trat er vor die nicht sehr ordentlich bis zur Decke gestapelten Dosen. Er holte sich von ganz oben eine Dose Tomatensaft herunter und verließ das Zimmer, das einst Kathy gehört hatte und jetzt so ziemlich alles für sein leibliches Wohl barg.
Bedächtig durchquerte er das Wohnzimmer und betrachtete die Fototapete, die die ganze Rückwand bedeckte. Eine Klippe fiel
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