Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Bewusstsein war, wollte ich mehr wissen. Die Leute, die meinen Glaswürfel betraten, durften kein Handy dabeihaben, nur Dr. Fiona war es erlaubt, ihr iPhone bei sich zu tragen. Schließlich war sie Notärztin. Als sie es einmal weglegte, schnappte ich mir das Telefon und gab meinen Namen bei Google ein. Das war ziemlich schwierig, weil ich immer noch alles doppelt sah und ständig die falschen Buchstaben eintippte. Ich wollte auch meine Emails abrufen, konnte mich aber ans Passwort nicht erinnern. Am fünften Tag kam meine Stimme zurück. Als Rehanna hereinkam, sprachen wir darüber, wie der Anschlag aus islamischer Sicht zu bewerten sei. »Sie haben auf mich geschossen«, sagte ich zu ihr. »Ja, das stimmt«, antwortete sie. Es war das erste Mal, dass ich Tränen vergoss. »Viel zu viele Menschen in der muslimischen Welt können einfach nicht fassen, dass ein Muslim so etwas tun kann«, meinte sie weiter. »Meine Mutter zum Beispiel sagt dauernd, das können gar keine Muslime gewesen sein. Doch manche Menschen nennen sich Muslime, handeln aber völlig unislamisch.« Wir redeten darüber, dass bestimmte Dinge immer viele Ursachen hätten, auch darüber, warum das Ganze ausgerechnet mir passiert sei. Sie erklärte, dass der Islam durchaus auch Frauen das Recht auf Bildung zugestehe. Es sei eines unserer Rechte, dass nicht nur Männer gebildet sein dürfen. Ich hätte mich also nur für mein Recht eingesetzt, als muslimische Frau zur Schule zu gehen.
Langsam kam meine Stimme wieder, dennoch machte ich mir Gedanken um sie. Wieder einmal sprach ich über Dr. Kayanis Handy mit meinen Eltern. »Klinge ich anders?«, fragte ich meinen Vater. »Nein«, sagte er. »Du klingst wie immer, und deine Stimme wird wieder besser werden.« Er fuhr fort: »Geht es dir gut?« – »Ja«, antwortete ich, »aber ich habe so schreckliche Kopfschmerzen, es ist kaum auszuhalten.« Das beunruhigte ihn sehr. Ich glaube, am Ende hatte er größere Kopfschmerzen als ich. Von da an fragte er mich bei allen Telefonaten: »Werden die Kopfschmerzen besser oder schlimmer?« Und ich antwortete: »Es geht mir gut.« Ich wollte ihn nicht noch mehr in Besorgnis versetzen und beklagte mich auch nicht, als sie mir die Kopfklammern entfernten und mir große Spritzen in den Nacken setzten. »Wann kommst du denn?«, fragte ich ihn ständig. Doch meine Eltern saßen nach einer Woche immer noch in Rawalpindi fest und wussten nicht, wann sie nach Birmingham fliegen würden.
Schließlich sagte meine Mutter am siebten Tag: »Wenn ich bis morgen nichts höre, trete ich in einen Hungerstreik.« Später am Tag suchte mein Vater den Major auf, der für die Sicherheit zuständig war. Auch er meinte, es gebe keine neuen Nachrichten aus Großbritannien. Daraufhin teilte mein Vater ihm mit, dass meine Mutter angesichts dieser Umstände in Hungerstreik treten werde. Der Major sah ihn leicht alarmiert an. Man rief Oberst Junaid an, und nach nur zehn Minuten teilte man meinem Vater mit, man habe Maßnahmen getroffen, um ihn und seine Familie sofort nach Islamabad zu bringen. Man könne sich doch sicherlich arrangieren. Als mein Vater zu meiner Mutter zurückkehrte, meinte er: »Du bist eine großartige Frau. Ich dachte immer, Malala und ich seien die Aktivisten in der Familie, aber du weißt wirklich, wie man etwas bewegt.«
Man brachte sie nach Islamabad, wo man sie im Kashmir House unterbrachte, einer Residenz für Parlamentarier. Sie standen immer noch unter strenger Bewachung. Als mein Vater nach einem Barbier verlangte, der ihn rasieren sollte, saß die ganze Zeit ein Soldat daneben, damit der Bartschneider ihm nicht die Kehle durchschnitt. Aber zumindest hatten meine Eltern ihre Handys zurückbekommen, so dass sie leichter mit mir in Verbindung treten konnten. Dr. Javid rief meinen Vater immer vorher kurz an, um ihm zu sagen, wann er mit mir sprechen könne. Aber das Telefon war ständig besetzt. Mein Vater telefonierte den ganzen Tag! Also gab ich ihm die zwölfstellige Handynummer meiner Mutter, was ihn beeindruckte. Mein Gedächtnis war also wieder in Ordnung. Meine Eltern hatten weiterhin keine Ahnung, weshalb man sie nicht einfach mit dem Flugzeug zu mir kommen ließ. Auch Dr. Javid fand das alles merkwürdig.
Meine Familie meinte, leider sei man in Pakistan gänzlich ohne Informationen. Also tätigte Dr. Javid einen Anruf und fand heraus, dass das Problem nicht bei der Armee lag, sondern bei der Regierung. Erst später zeigte sich, dass Innenminister
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