Ich bin verliebt in deine Stimme
entgegen und unterschrieb, den Empfang bestätigend. Dann mußte sie diese – ob sie wollte oder nicht – den Adressaten bringen, von denen sie sich ferngehalten hatte, was nicht hieß, daß sie sich auch die Beobachtung der beiden versagt hätte; sie mußte schließlich auf dem laufenden bleiben, wie weit die beiden waren. Bis zu diesem Zeitpunkt schwebte sie jedoch im Ungewissen. Anzeichen, die sichere Aufschlüsse erlaubt hätten – strahlende Augen, Küsse –, fehlten leider noch.
Die Telegramme erregten bei ihren Empfängern große Überraschung, vor allem die Gleichzeitigkeit ihres Eintreffens. Der erste Blick sowohl Inges als auch Ralfs galt dem jeweiligen Absender. Die Depesche für Ralf kam von Peter Mann, die für Inge von Petra Martens.
»Hoffentlich nichts Unangenehmes?« sagte Frau Lederer, erst Inge ins Auge fassend, dann Ralf. Sie blieb am Tisch stehen. Das war eine unmißverständliche Demonstration ihrerseits, daß sie das Recht auf eine Beantwortung ihrer Frage habe.
Inge öffnete ihr Telegramm, las es, errötete, steckte es in ihre Handtasche und sagte zu ihrer Tante: »Nein, nichts Unangenehmes.«
Dasselbe war bei Ralf Petermann der Fall, nur errötete der nicht, sondern zündete sich nervös eine Zigarette an. Aber auch er bestätigte: »Nein, Frau Lederer.«
Trotz doppelter Ausfertigung eine magere Auskunft, mit der sich die alte Dame begnügen mußte.
»Zu essen?« fragte sie noch, ehe sie sich wieder zurückzog.
»Eine Kleinigkeit«, entgegnete Inge, »egal, was.«
»Für mich ebenfalls«, fügte Ralf Petermann hinzu.
»Zu trinken?«
»Einen doppelten Cognac«, erklärte Ralf entschlossen.
»Für mich einen Likör«, folgte Inge in etwa seinem Beispiel.
Und entschlossen ließ Ralf einen zweiten Doppelten folgen.
»Es geht jetzt nicht mehr anders«, sagte er. Inge fand dies anscheinend auch, denn sie trat in seine Fußstapfen, als Likörkonsumentin, versteht sich.
»Und jetzt«, erklärte Ralf schließlich entschlossener denn je, »schreiben Sie, da Ihr Telegramm sicher genauso wie meines eine Antwort verlangt, Ihre Erwiderung unter den Text, und ich tue dasselbe. Wenn wir fertig sind, tauschen wir unsere Telegramme aus und lesen – einer vom anderen – sowohl den Text als auch die Antwort.«
»Und dann?« fragte Inge.
»Dann hoffen wir, daß sich unsere Antworten gleichen, in etwa wenigstens.«
Inge hatte einen Kugelschreiber in ihrer Handtasche. Sie mußte ihn Ralf leihen. Zuerst schrieb sie ihre Antwort unter Petras Depeschentext, der folgendermaßen lautete:
DU MACHST MEINE TRAUZEUGIN STOP ICH MACHE DEINE STOP
Ein Zwillingsbruder davon war Peters Text an Ralf: DU MACHST MEINEN TRAUZEUGEN STOP ICH MACHE DEINEN STOP
Auch Ralf schrieb seine Antwort darunter, dann erfolgte der von ihm vorgeschlagene Austausch. Das Wunder war geschehen. Sowohl Inge als auch Ralf hatten dasselbe, das einzige Wort gefunden, das ihnen zu genügen schien, ihren Standpunkt, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Es lautete bei beiden EINVERSTANDEN.
»Inge!« sagte er.
»Ralf!« Sie strahlten einander an. »Was waren wir verrückt!«
»Du nicht, ich!«
»Ich auch, Inge, sonst hätten sich doch diese blödsinnigen Schwierigkeiten nicht ergeben können.«
»Liebst du mich?«
»Dem Hunger nach, den ich plötzlich verspüre, ungeheuer.«
»Ich auch!« rief sie glückselig.
»Im Kofferraum habe ich was für dich.«
»Was?«
»Das schönste Abendkleid, das der Modesalon ›chic‹ bis zur Stunde entworfen hat.«
Trotz allen Glücks erschrak Inge plötzlich. »Du wirst dich doch bei deiner Firma nicht in Schulden gestürzt haben, Liebling?«
»Nein«, erwiderte er lachend. »Aber über dieses Kapitel reden wir später noch.«
»Was hättest du mit dem Abendkleid gemacht«, fragte sie ihn schelmisch, »wenn du hier … wie soll ich sagen … vergeblich deine Netze nach mir ausgeworfen hättest?«
»Es einer anderen Inge mit deiner Figur geschenkt. Die Suche wäre vielleicht schwierig geworden.«
»Wieso hätte es unbedingt wieder eine Inge sein müssen?«
»Weil das Modell ›Inge‹ heißt. So etwas nenne ich Stil, verstehst du?« scherzte er.
Frau Lederer war in die Küche des Hauses gehastet. Sie hatte sich von der Pflicht der Beobachtung nach wie vor nicht freigesprochen. Was sie zuletzt gesehen hatte, gab ihr endlich Gewißheit.
»Mario«, rief sie ihrem Küchenchef zu, »los, lassen Sie Ihre Künste spielen! Sie wissen, was ich Ihnen heute in Aussicht gestellt habe!«
»Ich
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