Ich glaub, ich lieb euch alle
lang den Kopf zerbrechen. Denn in Wirklichkeit werde ich mir tatsächlich das Genick brechen und dann krieg ich einen superschnellen Rollstuhl mit manueller Steuerung und Trinkflasche und mit allem Drum und Dran. Die Girls werden sich um mich scharen und mir den Kopf tätscheln. Ich werde das Teammaskottchen sein. So schlimm wird das schon nicht werden. Noch weniger können sie mich ja eigentlich gar nicht mehr mögen.
Arcade Backfire
Es ist Samstagabend und EJ und ich chillen ein wenig in der Einkaufspassage (wie erbärmlich). Ich wäre ja ganz gerne ins Kino gegangen oder hätte mich in eine Badewanne voll Eis gesetzt, doch hier kriegt EJ für seine ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) am meisten Nahrung, und außerdem finden sich hier immer ein paar scharfe Bräute, deshalb sind wir da.
» Hast du mitgekriegt, dass ich krassen Augenkontakt mit den Chicks beim Ms.-Pac-Man-Automaten hab?«, erkundigt sich EJ.
» Klar hab ich das, du glotzt sie ja schamlos an. Und jetzt haben sie Angst und überlegen, ob sie wegen dir den Sicherheitsdienst rufen sollen.« Ich lache.
Obwohl Lynns Ratschläge in meinem Fall nach hinten losgegangen sind, will EJ immer noch ganz genau wissen, wie man sie anwendet.
» Was ich nicht so ganz kapiere«, sagt er, während er mit der Hüfte das Star-Wars-Spiel klarmacht, » ist, wie man es hinkriegt, so zu tun, als würde man nicht auf ein Mädchen stehen, wenn man es in Wahrheit doch tut. Wenn man sie also insgeheim doch mag, verstehst du?«
» Ich hab doch keinen blassen Schimmer, warum das funktioniert, Kumpel, aber es funktioniert. Warum probierst du es nicht gleich mit diesen Ms.-Pac-Man-Chicks aus? Hör auf, sie nur anzuglotzen, red mit ihnen. Tu einfach so, als hättest du kein Interesse an ihnen, und dann stelle eine Frage. Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren?«, frage ich und klinge wie ein TV- Psychologe.
» Ich weiß doch nicht, was ich sie fragen soll«, meint er. » Geh doch du und red mit ihnen, Carter.«
» Mann, ich fang doch bestimmt an zu stottern und das bringt uns kein bisschen weiter«, erwidere ich. » Die Mädchen hassen mich, das ist klar. Aber ich komme mit, wenn du willst.«
Jeder noch so gute Pilot braucht einen Copiloten, der ihm den Rücken freihält. Einen Typen an seiner Seite, der ihm sagt, wie viel Benzin noch da ist und wie er sich schlägt. Der Pilot hat nur eine Aufgabe: das Flugzeug zu fliegen. Oder in diesem Fall: mit dem Mädchen reden. Der andere Pilot unterstützt ihn nur dabei. Ähnlich wie der Mann in der Ecke beim Boxen oder wie der Coach an der Seitenlinie beim Football.
Ich glaube trotzdem nicht, dass EJ es schafft. Er wird die Mädels auch weiter bloß anglotzen, bis seine Mom kommt, um uns abzuholen. Doch immerhin denkt er eine Sekunde lang darüber nach, rollt seine Augen bis ganz nach hinten und macht sich auf den Weg zum Ms.-Pac-Man-Automaten.
» Wow, mach mal langsam, Turbo!«, sage ich, doch er hört mich nicht. Der Pilot steuert sein Ziel an, ich folge ihm.
Zielstrebig marschieren wir auf die Gruppe Mädchen zu. Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich tun. Ich befinde mich noch nicht einmal am Steuer des Flugzeugs und trotzdem schlägt mein Herz wie wild. Wenn ich auch nur ein Wort sagen muss, dann fang ich ganz sicher zu stottern an. EJ hingegen ist die Entschlossenheit in Person. Was die Pubertät so alles aus uns macht! Irgendwie sieht er aus wie Wolverine, kurz bevor seine Klauen zum Vorschein kommen und er den Leuten zeigt, wo’s langgeht.
» Immer mit der Ruhe, Mann. Tu einfach so, als würden sie dich nicht im Geringsten interessieren«, raune ich ihm zu.
» Ich hab’s kapiert, Kumpel«, sagt EJ mit absoluter Zielstrebigkeit.
» Du musst sie mit einer Frage überraschen«, betone ich noch einmal.
» Verstanden«, erwidert er.
» Vergiss nicht zu atmen, Mann«, füge ich zur Sicherheit hinzu.
Es gibt viele Dinge, in denen ich nicht besonders gut bin, aber in diesem Fall bin ich eine richtig tolle Hilfe. Ich dachte erst, wir würden jetzt eine Stunde lang überlegen, welche Fragen wir stellen und was wir auf ihre Antworten erwidern sollen, und jetzt machen wir einfach! Scheiße, Mann, ja, wie zwei Cowboys, die einen Saloon aufmischen. Yeehah!
Wir steuern auf den Ms.-Pac-Man-Automaten zu, als wären wir auf dem Weg zu einer megamäßigen Wild-West-Schießerei. EJ schaut der Kleinsten von ihnen in die Augen, die etwas abseits steht. So sucht sich ein Löwe seine Beute aus. Der
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