Ich glaub, ich lieb euch alle
höchsten Sprungbrett hin, der einen riesigen Wasserschwall erzeugt. Sein richtiger Name lautet Paul Skelton; er ist Yasmins Freund. Er ist groß und schlank und hat ein Totenkopf-Tattoo auf dem Rücken. Letztes Jahr war das Skelett noch Rettungsschwimmer, aber dieses Jahr arbeitet er auf dem Bau, weil das mehr Kohle einbringt, und mit Yasmin zusammen zu sein ist sehr teuer. Nichtsdestotrotz ist er immer noch ohne Zweifel der King des Sprungbretts. Er schafft sogar einen dreifachen Salto vom höchsten Sprungbrett– muss ich noch mehr sagen?
Ich wage meinen ersten Versuch vom kleinen Sprungbrett und keiner scheint was zu merken. Ich springe hoch, werfe meine Arme zurück, krümme meine Wirbelsäule, zieh meine Beine an die Brust heran und bekomme es plötzlich mit der Angst zu tun. Ich versuch, mich zu strecken, drehe mich und lande im Wasser, als wäre nichts geschehen. Die Beine sind ein wenig hart auf dem Wasser aufgeschlagen, aber es könnte schlimmer sein. Langsam steige ich aus dem Wasser und sehe mich um. EJ macht ganz große Augen. Natürlich hat EJ alles mitgekriegt. Meine Mom meint, wir beide teilten uns ein Gehirn.
» Mann, versuchst du wirklich, den Auerbach hinzukriegen?«, fragt er.
Ich schau ihm nicht in die Augen, als ich antworte: » Jep!«, und mich wieder hinten in der Schlange anstelle.
» Also gut, lass es uns tun!«, meint EJ.
Ich habe nicht um einen Partner gebeten, aber ist schon okay. Das ist eigentlich sogar noch Wasser auf meine Mühlen. Jetzt gibt es wirklich kein Zurück mehr. Leider siegt auch bei meinem zweiten Versuch der Angsthase in mir. EJ ist gleich nach mir dran und bei ihm sieht die Sache auch nicht gerade gut aus, aber er wirft immerhin die Arme zurück, krümmt die Wirbelsäule, zieht die Beine an die Brust, macht eine Drehung und landet mit den Füßen voraus im Wasser. Er hat es tatsächlich geschafft! Zwar ohne die Arschbombe, also kein richtiger Auerbach, aber immerhin war es ein Salto rückwärts.
Pam ruft: » Spitze, EJ! Der Auerbach!«
Ich würde am liebsten laut schreien: » Aber technisch nicht ganz einwandfrei!« Doch er ist mein bester Kumpel und ich bin kein Arschloch, also schlucke ich’s runter.
Ich denke, ich bin sogar ein wenig stolz auf ihn, aber nichtsdestotrotz kann ich nicht darüber hinwegsehen, was für ein Verbrechen hier begangen wurde. Nämlich gemeiner Diebstahl. Man hat mir die Schau gestohlen! Jetzt muss ich es aber wirklich schaffen. Ich stehe auf dem Sprungbrett und gehe im Kopf alles noch einmal durch. Den Absprung, das Beineanziehen, die Rolle, die Verletzungsgefahr, die Möglichkeit eines bleibenden Gehirnschadens, die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage und die unleugbare Chance auf höchsten Ruhm.
Ich denke eine Sekunde zu lang nach, und schon merken die Leute, dass ich hier gerade dabei bin, etwas ganz Bemerkenswertes zu tun. Plötzlich werden alle ganz still. Jetzt sollte ich besser in die Gänge kommen. Mein Publikum wartet. Ich gehe die letzten Schritte, mache den Absprung und springe so hoch ich kann. Ich werfe den Kopf in den Nacken, drücke die Wirbelsäule durch und ziehe die Beine nahezu perfekt an. Das ist es! Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Du hast es raus! Aber, oh weh, die Rolle geht mir irgendwie zu langsam. Ich bin völlig durchgestreckt, suche verzweifelt nach dem Wasser. Ich kann es nicht sehen, das Wa…PLATSCH! Mein Rücken landet flach auf der Oberfläche. Mein Körper leidet Höllenqualen. Ich vernehme die vielen » Ohs« aus Richtung der Liegestühle. Jetzt bloß nicht heulen, Mann! In qualvoller Scham schwimme ich auf die Leiter zu. Das war nun aber wirklich der letzte Versuch für heute. Autsch! Ich reihe mich wieder in die Schlange am niedrigen Sprungbrett ein und denke darüber nach, meine berühmte Seitwärtsrolle zu wagen, um meinen Ruf wiederherzustellen, wobei ich hoffe, dass mein Rücken nicht halb so rot ist, wie er sich anfühlt, als ich hinter mir plötzlich jemanden sagen höre: » Großartig, Mann!«
Das war keiner von meinen Freunden. Wir haben es nicht so mit Komplimenten und Ermutigungen. Wir machen uns gegenseitig nieder, wir hängen dauernd zusammen ab, aber wir würden uns unter gar keinen Umständen gegenseitig unterstützen. Es war das Skelett.
» Du bist verdammt nah dran, Kumpel! Beim nächsten Mal schaffst du es, Alter!«, sagt er.
» Ach, ich weiß nicht so recht«, antworte ich zögernd, wobei die Nervenenden in meinem Rücken vor Schmerz aufjaulen. » Auf keinen Fall!«
» Mann,
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