Ich glaub, ich lieb euch alle
Typ einem anderen Typen erzählt hat, wie großartig meine Spielzüge sind. Weil man alles in Zeitlupe in den Sechs-Uhr-Nachrichten im Sportreport sehen konnte und weil der Nachrichtensprecher verkündet hat: » Carter ist nicht zu stoppen!« oder etwas ähnlich Respektables. Die Leute werden hinter meinem Rücken darüber reden, wie cool ich doch bin, und ich werde so tun, als würde mich das alles tierisch nerven, innerlich aber werde ich diese Streicheleinheiten genießen, wenn sie davon schwärmen, wie großartig ich bin.
Vorerst aber spiele ich nur bei den Spielen mit, wenn mein Kumpel Hormone zu erschöpft oder verletzt ist. Dann gehe ich einfach raus aufs Feld und versuche, jeden Kerl umzurennen, der sich mir in den Weg stellt. Mehr ist es nicht. Zumindest verstehe ich das Spiel so. Der Trainer wird nicht müde, was von » Strategie« und » Teamgeist« daherzulabern. Er malt lauter Xs und Os auf die Tafel und redet endlos über » Spielzüge« und » Löcher«, und ich hab keinen blassen Schimmer, wovon er eigentlich spricht. Irgendwie schweife ich mit den Gedanken ständig ab, und der Film » Holes– Das Geheimnis von Green Lake« kommt mir in den Sinn und wie ätzend es doch wäre, wenn man den ganzen Tag lang Löcher in der Wüste graben müsste. Wenn ich allerdings der Quarterback oder so was Ähnliches wäre, oder der Running Back, dann wüsste ich alles über das Spiel und wann und warum die Xs und Os genau dahin gehören, wo sie hingehören. Ich würde jedem noch so kleinen Detail meine ganze Aufmerksamkeit schenken, und ich würde mich den ganzen Tag lang darauf konzentrieren, sodass ich der Beste sein könnte. Aber wozu all das, wenn ich ja sowieso nur die Kerle umzurennen brauche, die sich mir in den Weg stellen!
Diese Saison aber wird ganz anders werden. Denn jetzt habe ich einen Plan. Morgen fangen wir mit dem Gewichtstraining an, und ich werde täglich mindestens drei Stunden trainieren, und zwar wirklich jeden Tag, bis ich absolut MEGASTARK bin! Ich mach jeden platt, der mir in die Quere kommt, und wenn das nicht hinhaut, dann übernehm ich ganz einfach zusätzlich die Rolle des Kickers, darauf könnt ihr euch verlassen.
Um Phase 1 meines genialen Football-Plans einzuleiten, begebe ich mich auf meinem Fahrrad mit drei alten Footballs und einem selbst zusammengeschusterten » Holder« in einem Wäschesack auf ein großes Feld in der Nähe unseres Hauses. Der Holder ist der Typ, der den Ball beim Snap festhält. Dieses dreieckige Hilfsmittel hab ich aus einem blauen Plastikruder gebastelt, das zu meinem aufblasbaren Gummiboot gehört. Ich hab es einfach in drei Teile zersägt und es dann mit Isolierband wieder zusammengeklebt. Damit klappt es viel besser, als es mit EJ je geklappt hat, aber wenn ich das nächste Mal mit dem Boot fahren will, bin ich echt aufgeschmissen. Ich werd mich mit dem einen Ruder einfach nur im Kreis drehen. Doch bis zum nächsten Sommer bin ich schon ein so berühmter Kicker, dass sich niemand daran stören wird, dass ich mich ständig nur im Kreis drehe.
Meine Konstruktion funktioniert sogar so gut, dass ich mir schon ernsthaft überlege, ob ich nicht in Serienproduktion gehen und die Dinger für Millionen von Dollar an die NFL verkaufen soll. Mal ehrlich, wie viel Kohle würden die sich sparen, wenn sie nicht einen Typen dafür bezahlen müssten, dass er dem Kicker die ganze Zeit den Ball hält? Wie viele Kicker da draußen warten im Moment darauf, dass ihr Holder überhaupt erst auftaucht? Und wenn er dann tatsächlich mal erscheint, dann hält er ihn vielleicht noch nicht einmal besonders ruhig. Vielleicht versucht er es à la Charlie Brown mit einem Witz genau in dem Moment, in dem du kicken willst (wie zum Beispiel Bag das tut), und zieht dir den Ball vor der Nase weg, gerade in dem Moment, in dem du den Bastard von Ball 50 Yard weit schießen willst. Und statt Ruhm zu ernten, fliegst du hoch in die Luft und landest unglaublich schmerzhaft und total peinlich mit dem Arsch auf dem Boden. Vielleicht rennt er aber auch schon nach drei Kicks davon und jagt einem Schmetterling hinterher (wie beispielsweise EJ). Wer ein berühmter Kicker sein will, der kann solche Ablenkungen absolut nicht brauchen. Man muss sich immer auf sein Ziel konzentrieren.
Der Ball ist also in Position. Ich mache drei Schritte nach hinten und zwei nach links, so wie sie es im Fernsehen immer tun. Ich nehme den Ball ins Visier, als wäre er ein vertrauter Feind, der einen weiten Weg auf sich
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