Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
Vom Netzwerk:
abfackeln wollte. Das Fest fand bei Ernst und Majella Brücher im Kölner Stadtteil Hahnwald statt. Ernst Brücher war der Verleger des Kölner DuMont Buchverlages und ein enger Freund Stockhausens. Ich hatte zu diesem Anlass ein großes, leuchtend rotes Bild mit Feuerwerkskörpern bestückt und Streichhölzer daraufgeklebt. Nun musste ich noch eine Aufhängung für die UV -Lampe an den Bilderrahmen montieren. Als es fertiggestellt war, transportierte ich das Werk mit dem Taxi zu Brüchers. Die Party war bereits in vollem Gange. Mein Beitrag fand im Garten statt, wo ich das Bildwerk an einem Baum befestigt hatte. Das Abbrennen dauerte leider nur ein paar Minuten, dann hing nur noch ein trauriger verkohlter Rahmen am Baumstamm, und ein unangenehmer harziger Geruch machte sich breit. Daran würde ich noch arbeiten müssen.
    Die Gespräche an diesem Abend waren besonders lebhaft, man diskutierte über die drei neuen Werke. Mir fiel Stockhausens ernste Miene auf. Er stand irgendwie abseits, schien fast abwesend und blieb noch im Garten, als die anderen Gäste wieder ins Haus zurückgingen. Ich trat zu ihm, um ihm zu seinem Werk zu gratulieren. Er wirkte tieftraurig, und ich fragte vorsichtig, was ihn so betrübe. Erst zögernd, dann zusehends bereitwilliger offenbarte er mir, er habe das Gefühl, sein Stück sei nicht verstanden, seine monatelange Arbeit nicht genügend gewürdigt worden. Man müsse die Aufführungen elektronischer Musik anders gestalten, das sei ihm an diesem Tag bewusst geworden. Der altmodische Konzertsaal passe nicht zu den neuen Klängen.
    Ich fragte ihn, ob er enttäuscht sei, dass er nicht so viel Applaus wie Kagel geerntet hatte. Zögerlich bejahte er. Ich glaubte, ihn trösten zu können, denn das kannte ich. Als Frau in der Kunst war ich es gewohnt, in der zweiten Reihe zu stehen. Ich hatte mich aber ganz gut im Windschatten der Männer etabliert, wie ich es nannte. So ließ es sich wunderbar arbeiten. Doch – das wurde mir an dem Abend wieder klar – Männer sind anders. Stockhausen ließ sich nicht recht aufheitern. War es der archaische Platzhirschinstinkt? Warum musste ein Mann unbedingt überall der Beste sein?
    Für mich stand außer Frage: Ich hatte an diesem Abend der Uraufführung eines Meisterwerks beigewohnt. Mit den Jahren sollten das schließlich auch die Musikkritiker zugeben. Mein persönliches Lieblingsstückwürdeimmer Kontakte sein. Ich versicherte Stockhausen, dass er ein Jahrhundertwerk geschaffen habe. Doch er war nicht zu trösten. Da holte ich weiter aus: »Glaubst du denn, das weiße Quadrat auf weißem Grund von Malewitsch ist sofort verstanden worden? Er hat es bestimmt nicht gemalt, um gefeiert zu werden. Erst heute, Jahrzehnte später, verstehen wir ihn.«
    Und dann hielt ich mich nicht mehr zurück, ich merkte, wie Stockhausens Stimmung sich aufhellte, und es sprudelte aus mir hervor: »Vergleiche dich nicht, denn dann bist du nicht bei dir selbst. Es wird immer jemanden geben, der besser ist – das macht depressiv. Oder jemanden, der schlechter ist – das macht arrogant. Bleib dir treu, schau nicht nach außen, arbeite einfach weiter. Und was Applaus oder Anerkennung betrifft, miss dem nicht so viel Bedeutung bei. Was heute ausgebuht wird, mag morgen gefeiert werden. Und umgekehrt. Du kannst das Opfer des guten oder des schlechten Geschmacks deiner Epoche werden – was willst du lieber?«
    Ich hätte ihn in den Arm nehmen wollen, aber das verbot sich mir, hatte ich doch nun schon gute zwei Jahre seinen Avancen standgehalten. Ja, ich war fasziniert von ihm, wollte mir aber immer noch nicht eingestehen, wie sehr ich mich in ihn verliebt hatte.
    Ich traf Stockhausen in der Zeit des IGNM -Musikfests noch sehr häufig, er kam allabendlich in mein Atelier. Was wir dort aufführten, wurde später als »Contre-Festival«bekannt, denn ich organisierte in der Lintgasse zu jedem offiziellen Konzert im WDR ein Gegenkonzert mit Künstlern, die dort abgelehnt worden waren, wie John Cage, David Tudor, La Monte Young, Nam June Paik oder George Brecht. Ihre Musik war dem Sender entweder zu experimentell, oder man hielt einfach ihre Werke überhaupt nicht mehr für Kunst.
    Schnell entwickelte sich also ein ganzes Festivalmit Konzerten, Lesungen, Performances und dem, was der Amerikaner Allan Kaprow »Happening« genannt hatte. Das Ausleihen eines Flügels, die Einladungskarten, Getränke, nahrhafte Schmalzbrote und sonstigen Aufwand finanzierte ich mit dem Verkauf von

Weitere Kostenlose Bücher