Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
rechten Hand schwenkte er eine altmodische Arzttasche aus braunem Leder.
»Wie ist sein Zustand?«, fragte er statt einer Begrüßung.
Vivi nahm ihm die Tasche ab. »Unverändert.«
Sie führte den Arzt ins Esszimmer. Noch immer lag Werner so da, wie Vivi ihn gefunden hatte. Als sei er infolge des Essens und des schweren Rotweins nur kurz eingenickt. Sobald Doktor Köhnemann die Bescherung sah, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen.
»Um Himmels willen, Frau Bernburg!«, rief er vorwurfsvoll.
Vivi setzte ihre unschuldigste Unschuldsmiene auf. »Wieso? Was habe ich denn getan?«
»Na, eben nichts! Sie haben ihn einfach so liegen lassen! Schon mal was von stabiler Seitenlage gehört?«
»Vor hundert Jahren vielleicht«, druckste Vivi herum. »Als ich für meinen Führerschein den Erste-Hilfe-Kurs gemacht habe.«
Ungehalten kniff der Arzt die Augenlider zusammen. »Also gut, dann wollen wir uns den Patienten mal näher ansehen.«
Mit umständlichen Bewegungen holte er ein Stethoskop aus seiner Tasche. Als Nächstes ging er zu Werner und fühlte den Puls. Nachdem er eine Weile vergeblich getastet hatte, wurde er bleich.
»Ogottogott …«
Vivi schlang ihre Finger ineinander. »Wie geht es ihm? Muss er in eine Klinik? Soll ich einen Krankenwagen bestellen?«
»Wohl besser ein Beerdigungsunternehmen«, sagte der Arzt dumpf. »Ihr Mann ist tot.«
Zu ihrer eigenen Überraschung brach Vivi in Tränen aus. Werner leblos aufzufinden, war das eine. Doch die offizielle Bestätigung, dass er wirklich tot war, mausetot sozusagen, erschütterte sie mehr, als sie erwartet hatte.
»Nun beruhigen Sie sich doch«, sprach Doktor Köhnemann ihr gut zu. Väterlich legte er einen Arm um ihre Schulter. »Mein Beileid, gnädige Frau. Ich weiß, das ist ein entsetzlicher Verlust für Sie.«
»Ja, ist es«, schniefte Vivi. »Er war mein Alles, mein Leben. Ohne ihn ist alles so sinnlos …«
Das war eine ziemlich dreiste Lüge, aber Vivi hoffte, dass man sie ihr dereinst vergeben würde. Schließlich musste sie jetzt ihre Haut retten. Und das ging nur, wenn sie die untröstliche Witwe gab.
Der Mediziner ächzte, als er aus seiner Tasche ein Formular holte. »Ich werde jetzt den Totenschein ausstellen. Am besten, ich gebe in der Tat einen Herzinfarkt an. Was auch immer die Todesursache war, jetzt ist das nicht mehr von Bedeutung. Ich habe Respekt vor den Toten. Eine Obduktion ist eine scheußlich blutige Angelegenheit, glauben Sie mir …«
»Das möchte ich auf keinen Fall«, sagte Vivi schnell. Keine Obduktion, durchfuhr es sie, bloß nicht! Ich könnte Sie küssen, Doktor Köhnemann!
Der Arzt setzte sich auf den nächstbesten Stuhl und begann, das Formular auszufüllen. Vivi sah, dass seine Hände bebten. Mit zerknirschter Miene blickte er auf.
»Falls es Nachfragen gibt … Ich meine, wir sind natürlich der Wahrheit verpflichtet … aber Sie sollten besser nicht …«
Vivi hörte ihm irritiert zu. Was meinte er bloß?
»Na jaaa«, sagte der Mediziner gedehnt, als Vivi nicht reagierte. »Sie wissen ja, diese Rezepte. Ihr Gatte hatte darauf bestanden. Er wurde von mir über die Risiken aufgeklärt, jedoch …«
Noch immer verstand Vivi kein Wort. »Risiken?«
Nun sah Doktor Köhnemann richtig unglücklich aus. »Tja, es ist bekannt, dass Viagra einige Nebenwirkungen hat. Kreislaufprobleme zum Beispiel, Schwächung des Herzmuskels. Deshalb haben wir ja vorher die Untersuchungen gemacht – Kreislauftest, EKG, Blutbild. Rosig sind die Werte nicht gewesen, aber Ihrem Gatten war das egal. Als Mann«, er hüstelte verlegen, »als Mann konnte ich ihn natürlich verstehen. Und Sie haben, wenn ich so sagen darf, ja auch von seiner wiedererstarkten Manneskraft profitiert.«
Wie Geschosse rasten die Worte durch Vivis Hirn. Herzmuskel? Viagra? Äh – Manneskraft?
Doktor Köhnemann hob die Augenbrauen. »Ich würde vorschlagen, dass das unser kleines Geheimnis bleibt, gnädige Frau. Wir sollten keine schlafenden Hunde wecken. Die Ärztekammer ist äußerst streng, was die Verschreibung von Viagra betrifft. Und im Grunde habe ich mir ja auch nichts zuschulden kommen lassen.«
Noch hatte sich Vivi nicht ganz von dem Schock erholt. Fieberhaft versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Punkt eins: Werner hatte sich Viagra verschreiben lassen. Punkt zwei: Also war er sexuell aktiv gewesen. Punkt drei: Fragte sich nur, wo. Im ehelichen Schlafzimmer jedenfalls nicht.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte sie mit brüchiger
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