Schwarzes Verlies (German Edition)
PROLOG
Reyes, einst Krieger für die Götter und jetzt besessen vom Dämon Schmerz , betrat sein Schlafzimmer. Vom Training im Kraftraum der Budapester Burg, die er mit seinen Brüdern bewohnte, war er schweißüberströmt. Und weil er ohne körperlichen Schmerz keine Lust empfinden konnte, hatte ihn das Brennen in seinen Muskeln heiß gemacht. Machte ihn immer noch heiß.
Wie immer wurde sein Blick unwiderstehlich von seiner Frau angezogen, und genüsslich schloss Reyes die Faust um das Messer, das sie beim Sex am liebsten benutzten. Das schöne Gesicht angespannt, saß sie auf der Bettkante und betrachtete die Leinwand vor sich. Eine Leinwand, die sie auf eine Staffelei gestellt und genau so platziert hatte, dass sie direkt darauf blicken konnte. Wild fiel ihr das zerzauste blonde Haar um die Schultern, als wäre sie sich unzählige Male mit den Fingern durch die dicke Mähne gefahren. Sie knabberte an ihrer Unterlippe.
Sex konnte warten, beschloss Reyes bei ihrem Anblick. Sie war beunruhigt, und er würde an nichts anderes denken können, bis er das Problem gelöst hatte, das sie beschäftigte. Was auch immer es war. Er steckte das Messer wieder weg.
„Irgendwas nicht in Ordnung, mein Engel?“
Sorge stand in ihren smaragdgrünen Augen, als sie zu ihm aufsah, und ihr gelang nur ein kleines Lächeln. „Ich bin mir nicht sicher.“
„Komm, ich helfe dir, es herauszufinden.“ Egal, was sie aufregte, er würde es beseitigen. Ohne Zögern. Um sie glücklich zu machen, würde er alles tun – und wenn er jemanden umbringen musste.
„Das wäre schön. Danke.“
„Soll ich kurz duschen, bevor ich zu dir komme?“
„Nein. Ich mag dich genau so, wie du bist.“
Eine bezaubernde Frau. Doch der Gedanke, ihre schönen Kleider zu ruinieren, missfiel ihm. Kurz entschlossen schnappte er sich ein Handtuch aus dem Bad und rieb sich trocken. Erst dann setzte er sich hinter seine Liebste, die Beine an ihre Schenkel gelegt, die Arme um ihre Taille geschlungen. Tief atmete er ihren Duft ein, wild wie eine Sturmnacht. Er schmiegte das Kinn in die Kuhle über ihrem Schlüsselbein und folgte ihrem Blick.
Was er sah, überraschte ihn.
Obwohl es das nicht sollte. Ihre Bilder waren immer unglaublich eindrücklich. Als das Allsehende Auge war sie ein Orakel der Götter und eine ihrer wichtigsten Gehilfinnen – und konnte sowohl in den Himmel als auch in die Hölle blicken. Und das tat sie, jede Nacht, auch wenn sie keinen Einfluss darauf hatte, was sie sah. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, ganz egal. Jeden Morgen brachte sie ihre Visionen auf die Leinwand.
Diesmal war es ein Mann. Unübersehbar ein Krieger, muskelbepackt wie er war. Um seinen Hals lag ein goldenes Halsband, eng gespannt. Er war auf Knien, die Beine gespreizt. Seine Unterarme lagen auf seinen Oberschenkeln, die Handflächen waren nach oben gerichtet. Den dunklen Kopf hatte er nach hinten geworfen und brüllte in ein hohes Gewölbe hinaus. Vor Schmerz vielleicht. Oder auch Wut. Blut troff von seiner breiten Brust, strömte aus zahllosen Wunden. Wunden, die aussahen, als hätte ihm jemand die Haut vom Leib geschnitten.
„Wer ist das?“, fragte Reyes.
„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen.“
Dann würden sie eben versuchen, es mit Logik herauszufinden, so gut es ging. „Kommt er aus dem Himmel oder aus der Hölle?“
„Himmel. Definitiv. Ich glaube, er ist in Cronus’ Thronsaal.“
Also ein Gott? Vor ein paar Monaten hatten die Titanen die Griechen gestürzt und im Olymp die Macht ergriffen. Wenn dieser Mann sich also in Cronus’ Thronsaal befand, gefesselt und verwundet vor dem König der Titanen, musste das bedeuten, dass der Krieger ein Grieche war. Vielleicht ein Sklave, der bestraft worden war?
„Du hast nur dieses Bild gesehen?“, hakte Reyes nach. „Nicht, wie er an diesen Punkt gelangt ist?“
„Exakt“, bestätigte Danika mit einem Nicken. „Aber ich habe ihn schreien hören. Es war …“ Ein Schauer überlief sie, und tröstend schlang Reyes die Arme fester um sie. „Er hat mir unglaublich leidgetan. Ich habe noch nie einen Schrei so voll Zorn und Hilflosigkeit gehört.“
„Wir können Cronus herbeirufen.“ Cronus war nicht allzu gut zu sprechen auf Reyes und seine Brüder, die Herren der Unterwelt – die Männer, die die Büchse der Pandora geöffnet und das Unheil in die Welt hinausgelassen hatten. Männer, die daraufhin verflucht worden waren, dieses Unheil in sich selbst zu tragen. Doch ihre Feinde,
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