Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Seine Hemden gebügelt, seine Schuhe geputzt? Und das exquisiteste Essen gekocht? Sie war vielleicht nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber solch eine bodenlose Ungerechtigkeit ließ sie sich nicht gefallen.
Wütend zerriss Vivi den Ehevertrag. Dann legte sie die Schnipsel in einen Aschenbecher und hielt ein brennendes Streichholz daran.
»So nicht«, flüsterte sie. »Nicht mit mir, Werner Bernburg!«
Zufrieden sah sie zu, wie sich der schändliche Schrieb in ein Häufchen Asche verwandelte. Nun war sie schon mal einen bedeutenden Schritt weiter. Das Viagrageheimnis jedoch hatte sie noch immer nicht gelüftet.
Sie stand auf. Vielleicht half Werners Handy ja weiter. Er hatte es immer in der Hosentasche getragen und nachts sogar mit ins Bett genommen. Weil es etwas zu verbergen gab? Möglich war’s.
Es kostete Vivi allergrößte Überwindung, sich dem Toten zu nähern. Wie ein nasser Sack hing er über dem Tisch, eingezwängt in seine unvermeidliche graue Strickweste. Ihr Herz klopfte laut, als sie eine Hand in seine Hosentasche steckte. Immer tiefer wühlte sie darin herum. Werners massiger Körper begann zu schwanken. In Zeitlupe rutschte er vom Stuhl und plumpste mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden.
Unwillkürlich schrie Vivi auf. Sie schloss die Augen und schlug die Hände vors Gesicht. Erst als sie sich ein wenig beruhigt hatte, wagte sie, die Augen wieder zu öffnen. Jetzt ruhte ihr Gatte in etwa so, wie sie sich die stabile Seitenlage vorstellte. Noch immer waren seine Augen weit aufgerissen. Es roch streng nach postmortaler Darmentleerung. Aber in ihrer Hand lag Werners Handy.
Sie wechselte auf die Couch im Wohnzimmer. Dann klickte sie die Anrufliste an. Aufs Geratewohl entschied sie sich für die Nummer, die Werner zuletzt gewählt hatte. Gebannt wartete sie, wer sich wohl melden würde.
»Wernerchen«, gurrte eine heisere Frauenstimme. »Na, meingeiler Hase? Bleibt es bei morgen früh, wie immer um Viertel nach sieben? Aber vergiss nicht: Bargeld lacht.«
Es war schon weit nach Mitternacht, aber Vivi brauchte jetzt dringend einen kleinen Imbiss. Sie holte eine Packung Krebsfleisch aus dem Kühlschrank, schnitt mit geübten Bewegungen eine Avocado in kleine Stücke, pellte eine Grapefruit und löste das Fruchtfleisch aus den Häutchen. Eine Vinaigrette war schnell gerührt.
Sie richtete den Salat auf einem tiefen Teller an und setzte sich an den Küchentisch. Wie ein Corpus Delicti lag Werners Handy darauf. Vivi hatte das Gespräch völlig entgeistert weggedrückt. In ihre Verblüffung hatte sich erst Abscheu gemischt, dann kalte Wut.
Mechanisch begann sie zu essen. Schon länger hatte sie sich gewundert, warum Werner manchmal so früh zur Arbeit fuhr. Seine Steuerberatungskanzlei war nicht gerade das gewesen, was man als Stress bezeichnete. Doch nicht im Traum wäre Vivi auf die Idee gekommen, dass er zwischen Frühstücksei und Aktenbergen eine schnelle Nummer schob – noch dazu mit einer Professionellen.
»Du Schuft«, presste sie kauend hervor. »Du mieser, elender Schuft. Hast mir das Haushaltsgeld centweise abgezählt. Und bist dann fröhlich zu einer Prostituierten spaziert, die wahrscheinlich so viel kostet wie eine Kiste Champagner! Oder hundert Gramm weiße Trüffel!«
Grimmig gabelte sie den Salat in sich hinein, während sie durch die offene Küchentür ins Esszimmer schaute, wo Werner friedlich auf dem Boden lag. So einen angenehmen Tod hat er eigentlich gar nicht verdient, überlegte sie. Rattengiftwirkte schnell, wie der Verkäufer im Baumarkt ihr versichert hatte. Ein Bissen, und schon werden die Lichter ausgeknipst. Ein langsamer, qualvoller Tod wäre weit angemessener gewesen, fand Vivi.
Nachdem sie den Salat verspeist hatte, wählte sie zwei weitere Nummern aus dem Speicher an. Beide Male meldeten sich aufreizende Frauenstimmen mit eindeutigen Angeboten. Offenbar hatte Werner über einen ganzen Harem williger Damen verfügt. Aber jetzt war Schluss mit lustig.
Nachdenklich drehte Vivi das Handy hin und her. Was sollte sie damit tun? Falls es doch noch zu einer polizeilichen Untersuchung kam, würde man es sicher konfiszieren. Und die Anrufliste checken. Das würde einige unangenehme Fragen aufwerfen, die zu beantworten sie überhaupt keine Lust hatte.
»Abschied ist ein scharfes Schwert« , summte sie vor sich hin. Der alte Roger-Whittaker-Song passte wie Deckel auf Topf. »Du bist getroffen und kannst dich nicht wehren« , sang sie etwas lauter, »Worte sind
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