Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
von Inge-Gundula war so erfreulich wie eine Darmspiegelung und appetitanregend wie Fußpilz.
»Verzeihung, ich bin noch ganz durcheinander«, zirpte Vivi. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Bei der erbärmlichen Bezahlung von Buchhaltern«, giftete Werners Tochter. »Ich denke doch, dass Vater uns großzügig in seinem Testament bedacht hat. Das hat er jedenfalls bei unserem letzten Telefonat angedeutet.« Sie musterte Vivi mit einem abschätzigen Blick. »Blut ist dicker als Saft. Du warst nur eine Episode.«
Eine Episode, die immerhin fast fünfzehn Jahre gedauert hatte. Vivi war außer sich. So also wurde sie gesehen? Wie eine nützliche Idiotin, die Werner den Rundum-Service geboten hatte? Und nun abserviert werden sollte?
Hans-Peter legte sein Besteck beiseite. »Tja, meine Liebe, man muss den Tatsachen ins Auge sehen. Wir Kinder kamen immer an erster Stelle, daran hat sich nie etwas geändert. Wann wird denn das Testament eröffnet? Meine Verpflichtungen erlauben es nicht, länger als bis zum Abend zu bleiben.«
Ihr gierigen Geier, grollte Vivi. Habt euren Vater nie besucht und wollt jetzt absahnen. Sie hob ihre Sonnenbrille an, die sie auch im Lokal aufbehalten hatte, und strich sich mit einer müden Geste über die Augen.
»Ach, herrje«, ächzte sie. »Müssen wir denn wirklich jetzt schon über solche Dinge sprechen?«
Sie hatte angenommen, dass diese feine Brut wenigstens das Kresseschaumsüppchen mit Garnelen, den Kalbsrücken an geschmortem Radicchio und das Champagnersorbet nebst frischen Feigen abwarten würde. Doch weit gefehlt.
»Ich muss wissen, was auf mich zukommt, zumal die Erbschaftssteuer empfindlich erhöht wurde«, erklärte Hans-Peter. Seine ölige Stimme erinnerte Vivi unangenehm an ihren verflossenen Gatten.
»Nun«, erwiderte sie, »wenn ihr darauf besteht, können wir gleich im Anschluss ans Essen zum Notar gehen. Ich werde ihn fragen, er ist hier. Entschuldigt ihr mich einen Augenblick?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stand sie auf, steuerte jedoch zunächst die Toilette an. Im goldgerahmten Spiegel über dem Waschbecken begutachtete sie ihr blasses Gesicht. Sie nahm die Sonnenbrille ab, holte einen Lippenstift aus der Handtasche und tupfte ein wenig Rot auf ihre Lider. Vorsichtshalber. Nun sah sie aus, als hätte sie eine Woche lang durchgeheult.
Heute also war der Showdown. Danach würde sie erst einmalzwei Tage durchschlafen, denn die Beerdigungsvorbereitungen hatten ihre letzten Energien verschlungen. Es war ungewohnt, alles allein meistern zu müssen. Fünfzehn Jahre Ehe, das waren fünfzehn Jahre Bevormundung gewesen. Werner hatte immer alles geregelt. Sosehr sein plötzliches Verschwinden Vivi auch befreite – irgendwie fühlte sie sich schutzlos ohne ihn.
Als sie zurück ins Restaurant ging, kam Elas Begleiter ihr entgegen. Ausgerechnet Richard. Ob das Zufall war? Es sah nicht danach aus. Zielstrebig marschierte er auf sie zu und blieb mit ausgebreiteten Armen vor ihr stehen. Als wollte er sie an sich drücken wie einen Welpen, der sich verlaufen hatte. Und genau das tat er auch.
»Gnädige Frau, darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen?« Er deutete rechts und links Wangenküsschen an, wobei seine warmen Lippen wie absichtslos ihre Haut streiften. »Und darf ich Ihnen meine Bewunderung für Ihre untadelige Haltung zu Füßen legen?«
Vivi lächelte gezwungen. Die Umarmung und die flüchtige Berührung seiner Lippen hatten sie in einen Zustand versetzt, der nicht recht zu einer verzweifelt trauernden Witwe passte. Richard war ein Knaller, wie Ela gesagt hätte. Und so sexy, dass er ihr den Atem nahm.
»Verbindlichsten Dank«, murmelte sie. »Es freut mich sehr, dass meine Freundin Ela einen so sensiblen Bekannten hat.«
Es klang saudämlich, und das sollte es auch. Schließlich konnte sie ihm schlecht sagen, dass sie ihn am liebsten zwischen Salat und Suppe vernascht hätte. Aber war es nicht bekannt, dass ausgerechnet im Angesicht des Todes erotische Begierden aufflammten?
Er holte eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts. Sie hatte einen zarten Fliederton. »Hier, nehmen Sie. Bestimmt brauchen Sie in der nächsten Zeit einen Gesprächspartner. Man sagt, ich sei ein guter Zuhörer.«
Nun kam auch noch Ela angestöckelt. Wie peinlich! Hastig steckte Vivi die Visitenkarte ein und stürzte auf ihre Freundin zu.
»Es ist alles so hoffnungslos«, rief sie.
Ungerührt löste sich Ela aus Vivis Umklammerung. »Das finde ich ganz und gar nicht. Ihr
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