Ich mag dich wie du bist
sein, doch ich weiß ganz bestimmt, dass sie heute Nacht für mich passt, und jetzt die dritte Möglichkeit die richtige ist.
Ich wende mich Martina zu, nehme ihren Kopf in beide Hände und küsse sie, aber richtig. Presse meine Lippen auf ihre. Sie erstarrt zunächst, dann lächelt sie, und das fühlt sich merkwürdig an, ihr Mund, zwei weibliche Lippen an meinem Gesicht. Eine heiße Woge steigt mir aus dem Bauch bis zum Gesicht, ich scheine in Flammen zu stehen, meine Wangen glühen, als hätte ich Fieber. Jetzt drückt sie mich an sich, ihre Hände gleiten an meiner Taille hinab und ziehen mich an sie heran. Wir sitzen immer noch nebeneinander und nun verliere ich irgendwie das Gleichgewicht und lehne plötzlich an ihr. Ich fühle ihren Busen an meinem, die weiche Haut ihrer Wangen an meinen. Und während sie ihren Mund öffnet und ich sie stürmischer küsse, gleitet meine Zunge zwischen ihre Lippen auf der Suche nach ihrer Zunge.
»Das fühlt sich seltsam an«, sage ich leise.
»Auch für mich, das ist mein erster Kuss.«
»Stimmt, der erste Kuss.«
Ich denke, dass ich endlich mit diesem Moment ein neues Jahr null für meinen Kalender habe und ich küsse sie weiter, auf den Mund, auf die Wangen, ein unbeholfener Kuss, wie der eines kleinen Jungen, der nicht so recht weiß, was er tun soll oder zu aufgeregt ist, aber Martina geht es in diesem Augenblick genauso. Sie stützt sich mit dem Ellenbogen auf dem Sand ab und zieht mich in ihre Arme. Bis wir nebeneinander auf dem nachtfeuchten Sand liegen, Hand in Hand, und in den Himmel starren.
»Ich glühe«, sage ich, als ich mir über die Wangen fahre.
»Wollen wir schwimmen gehen?«
»Jetzt?«
»Ja.«
Ich muss wieder lachen, ein glückliches, emotionsgeladenes Lachen, ich stehe auf und laufe zum Meer. Wir ziehen uns aus und springen ins Wasser.
Es ist lauwarm. Ich schwimme ein paar Züge, tauche den Kopf unter, dann drehe ich mich um. Martina schwimmt ein paar Meter hinter mir. Mit ein paar Stößen bin ich bei ihr und schwimme neben ihr her. Plötzlich stellt sie sich hin. Das Wasser reicht ihr knapp über die Hüfte. Ich weiß nicht, was ich tue, ich weiß nicht, warum ich es tue, aber ich gehe zu ihr und umarme sie und spüre ihren Körper, der sich an meinen presst.
Das Mondlicht spiegelt sich auf unserer nassen Haut, und in ihrer Umarmung finde ich jeden Zentimeter meines Körpers, jeden Teil von mir, den ich verloren hatte und nicht mehr finden konnte.
Einundachtzig
Der Motorroller rast über die Straße, aber dieses Mal weiß ich ganz genau, wohin ich fahre und ich weiß auch, dass ich mich beeilen muss. Der Wind zerzaust meine Haare und die glühendheiße Sonne brennt auf meinem Kopf. Zwei Arme umschlingen meine Taille ganz fest. Ich weiß, wo ich hinmuss und diesmal ist es ein gutes Gefühl.
Manchmal denke ich, man sollte einfach den Dingen ihren Lauf lassen, dem Strom des eigenes Schicksals folgen und einfach zusehen, wohin es einen führt. Normalerweise bin ich nicht glücklich, wenn ich so etwas denke, sonst würde ich nicht darüber nachdenken, ich würde es einfach tun und Schluss, ich wäre mitten im Leben, ohne es zu bemerken. Dann denke ich wieder, dass man kämpfen sollte und mit all seiner Kraft versuchen muss, das zu erreichen, was man will. Aber wenn ich zurückschaue, bekomme ich nie zusammen, was wirklich gelaufen ist und was mich dazu gebracht hat, mich so und nicht anders zu verhalten. Und wenn ich dann mal wieder Pläne für die Zukunft schmiede, erheben sich immer zwei Stimmen in meinem Kopf: Die eine sagt, ich soll die Dinge einfach laufen lassen, und die andere, ich soll sie in die Hand nehmen. Und letztendlich tue ich weder das eine noch das andere, weil ich mich zwischen den beiden Möglichkeiten nicht entscheiden kann.
Aber jetzt habe ich begriffen, dass es genau so funktioniert, dass ich es immer so machen werde, denn wenn ich nicht genau so gehandelt hätte, wäre mir nicht all das passiert, was mir passiert ist.
Als ich auf den Campingplatz kam, war Luca nicht mehr da, am Empfang hat man mir gesagt, dass er schon am Morgen bezahlt hatte und jetzt abgereist ist. Draußen habe ich Daniele getroffen, der mit dem Roller ankam. Unsicher hielt er an, vielleicht hatte er ja Angst, dass ich ihm eine Szene machen würde, aber ich hatte etwas ganz anderes vor.
»Leihst du mir den Roller?«
»Was?«
»Leih mir den Roller, nur heute Vormittag. Den Gefallen könntest du mir ruhig tun, nach allem, was du dir geleistet
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