Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Milliardengeschäft. Aus den traditionellen Fußballvereinen sind mittlerweile Wirtschaftsunternehmen geworden, die man gemessen an ihren Millionenumsätzen mit DAX- oder MDAX-Unternehmen vergleichen kann. Der FC Bayern hatte im Geschäftsjahr 2010 / 2011 einen Umsatz von 321 Millionen Euro bei einem Gewinn von 32 Millionen Euro. Der FCB lag damit an vierter Stelle der umsatzstärksten Fußballvereine Europas hinter Real Madrid mit 480 Millionen, dem FC Barcelona mit 450 Millionen und Manchester United mit 367 Millionen. Auch viele der anderen Bundesligavereine spielen ganz oben mit, Schalke 04 mit über 200 Millionen Umsatz oder der HSV mit 128 Millionen. Und damit man sieht, wie der sportliche Erfolg von BVB-Trainer Jürgen Klopp die Finanzen beeinflusst: Borussia Dortmund schaffte mit der Meisterschaft den Sprung von 33 Millionen Umsatz auf 138 Millionen Euro innerhalb eines Jahres. Somit hängen sehr viele wirtschaftliche Interessen an diesen Vereinen, die auch die Infrastruktur einer ganzen Region beeinflussen können. Was wiederum die Politik auf den Plan ruft. Den modernen Profifußball umgibt ein Machtgeschiebe, in dem der Sport in den Hintergrund zu treten scheint. Den Akteuren kommt eine immense Bedeutung zu. Entsprechend steigt auch der mediale Unterhaltungsfaktor für alle, die an diesem gigantischen Geschäft maßgeblich beteiligt sind. Und dazu gehören auch die Medien.
Der Druck auf die Schiedsrichter ist mit den schwindelerregenden Umsätzen in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Denn eine Mannschaft, die wegen nachteiliger Schiedsrichterentscheidungen aus der Bundesliga oder den europäischen Wettbewerben fliegt, verliert zig Millionen Einnahmen durch eine fehlende Beteiligung an den Vermarktungs- und TV-Rechten. Fehlende Millionen bedeuten weniger Geld für Spielereinkäufe – und einen immer weiteren Abstand zur internationalen Spitze, denn dort wird von den Vereinen erst richtig Geld verdient. Zynisch gesprochen stellen also Schiedsrichter für jeden Vereinspräsidenten eine potenzielle Gefahr für den reibungslosen Ablauf ihrer Geschäfte dar, und dementsprechend emotional sind auch die Reaktionen der Vereine, ihrer Manager, Trainer und der Spieler auf dem Platz, wenn die Spiele nicht in ihrem Sinne laufen.
Um solche Gefahren für die Vereine schon im Vorfeld zu minimieren, so war die Befürchtung unter vielen Schiedsrichtern, sollte Hellmut Krug jetzt Einfluss im Sinne der DFL, hin zu einer noch stärkeren Professionalisierung des Schiedsrichterwesens, nehmen. Daneben ergab sich für Krug mit dem Seitenwechsel zur mächtigen Liga die möglicherweise nich ganz unwillkommene Gelegenheit, seinem Erzrivalen Volker Roth weiter das Leben schwer zu machen und ihn womöglich so doch noch zur Demission zu veranlassen. Krug und Roth belauerten sich monatelang, wer von beiden zuerst den entscheidenden Fehler machen würde. Krug war nicht irgendwer, er hatte Kompetenz und Machtinstinkte und war mit der DFL im Rücken zu einem mächtigen Mann im deutschen Fußball geworden.
Krug begann 1984 im Alter von 28 Jahren seine DFB-Karriere als Schiedsrichter im Profifußball. Insgesamt leitete er über 240 Bundesligaspiele, ein DFB-Pokalfinale, als FIFA-Schiedsrichter 29 Länderspiele und 40 Europapokalspiele, darunter mehrere Finales, 1994 war er Schiedsrichter bei der Fußballweltmeisterschaft und dreimal wurde er zum Schiedsrichter des Jahres gewählt. Krug hatte alles erreicht, wovon ich träumte. Ich sage das ohne Neid, weil ich uneingeschränkt seine fachliche Kompetenz anerkenne. Nach seinem Ausscheiden als aktiver Schiedsrichter war er ab 2003 in der Schiedsrichterausbildung tätig. Krugs Machtspiele im DFB aber sind mir immer fremd geblieben. Volker Roth hatte mich immer gefördert, ich galt im Kollegenkreis als Anhänger Roths und zeigte Krug deshalb auch immer sehr deutlich, was ich von seinen Spielchen gegen Roth hielt. Und damit rutschte ich mit dem Machtwechsel und der jetzt fehlenden Deckung durch Roth automatisch in Hellmut Krugs Wahrnehmungsbereich.
Im Umfeld des Skandals um die Beziehung zwischen dem inzwischen verstorbenen Schiedsrichter Amerell und seinem Kollegen Kempter wurde Roth zu Unrecht vorgeworfen, er habe, als er von Amerells Neigungen erfuhr, nicht umgehend die DFB-Spitze informiert. Trotzdem wurde der Druck irgendwann zu stark und schließlich war die Stunde des Untergangs gekommen. Ich wäre nicht erstaunt, wenn bei der DFL daraufhin der eine oder andere Korken geknallt
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