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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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die Nachbarschaft auf eigene Faust.
    Noch immer ist Eppendorf die Gegend von Hamburg, wo ich mich am meisten zu Hause fühle, auch wenn ich längst nicht mehr dort wohne. Der Krieg hat fast nichts zerstört, die schönen Fassaden sind verziert wie vor über hundert Jahren. Es ist noch alles wie früher. Ich suche oft nach einem Anlass, um hinzufahren und durch die Straßen zu laufen. Und dann kommen meine Erinnerungen wieder. Hinter den neuen Geschäften sehe ich die alten Läden. Den Milchmann und direkt daneben den Gemüseladen Rörup, wo ich einkaufen ging – und das tat ich oft. Wenn unser Geld nicht reichte und meine Mutter sich zu sehr schämte, schickte sie mich, damit ich anschreiben ließ. Mir machte das nicht so viel aus. Die Kartoffeln lagen im Souterrain in großen Stiegen und wurden mit Schaufeln abgefüllt. Es roch nach Gemüse und Keller, irgendwie gesund. Ich mochte das sehr und zog tief die Luft ein. An der Ecke Eppendorfer Landstraße und Loogestieg, wo heute die Apotheke ist, war damals die Reinigung Wulf. Dorthin brachten wir die Wäsche, die meine Mutter nicht in der Schüssel waschen konnte: Bettwäsche und Handtücher vor allem, die stopften wir in große pappeartige Säcke, dann wurde nach Stückzahl abgerechnet.
    Und wenn ich schließlich vor unserem alten Haus stehe, ist alles wieder da. Hier habe ich die schönsten Jahre meiner Kindheit verbracht. Schon das Reinkommen liebte ich. Ich ging durch den Eingang mit den gemusterten Kacheln. An beiden Seiten gab es große Spiegel, darin konnte ich mich bis ins Unendliche sehen – faszinierend war das! Wenn ich mich von meinem Anblick losgerissen hatte, stieg ich in den niedlichen hölzernen Fahrstuhl, setzte mich auf den Klappsitz und ließ mich ruckelnd in den vierten Stock fahren. Links wohnten Karps, rechts Boesches.

    Schließlich war der erste Schultag da. Mein Weg führte am U-Bahn-Damm entlang, durch den kleinen Kellinghusens Park, vorbei am Schwimmbad und dann rechts in die Knauerstraße. Ich mochte den roten Backsteinbau und den Schulhof dahinter, wo wir in den Pausen spielten. Aber das Lernen interessierte mich überhaupt nicht. Nachdem ich in Berlin so sehr mein Leben gelebt hatte, war es schlimm für mich, plötzlich etwas zu sollen. Ich sollte meine Rechenaufgaben machen, ich sollte Gedichte auswendig lernen, ich sollte lesen und schreiben. Nicht dass ich nichts hätte lernen wollen. Im Gegenteil: Ich war ein neugieriges Kind. Aber für das, was sie von mir wollten, interessierte ich mich nicht. Dieses verordnete Lernen passte nicht zu meinem zappeligen Wesen. Und je deutlicher ich das spürte, desto weniger wollte ich tun, was die Lehrer von mir verlangten. Kaum war ich zu Hause, schmiss ich die Schultasche in die Ecke, schnappte mir den Schlitten – in meiner Erinnerung ist immer Winter – und ging rodeln. Im Eppendorfer Park am Universitätskrankenhaus gab es einen kleinen Hügel. Von dem sausten wir hinunter, das war ein großer Spaß. Eingemummelt in Schalmütze und dicke Jacke, die Handschuhe hingen an Strippen aus den Ärmeln – so bin ich dort jedes Jahr gerodelt, von mittags bis abends. Oder wir fuhren Schlittschuh auf dem kleinen Teich im Kellinghusens Park. Es war für mich das Schönste überhaupt, dass ich so spielen konnte. Es war die schönste Zeit meines Kinderlebens, die fünf Jahre Beim Andreasbrunnen. Wir trafen uns auf der Straße, wo noch kaum ein Auto fuhr und wir ungestört spielen konnten. Neben Schiepchen und mir gehörten zehn bis fünfzehn Kinder aus den umliegenden Häusern zu unserer Bande, darunter auch unser Nachbar Egon Karp. Er hatte rote Haare und ich verliebte mich gleich in ihn. Ich war nun sechs, und die Kinder, die ich hier kennenlernte, merkten sofort, was ich für eine Spiellust hatte. Darum wurde ich schnell die Anführerin und gemeinsam machten wir das Viertel unsicher. Wir spielten Murmeln auf dem Bürgersteig, der damals einfach ein Sandstreifen war. Dafür hatte ich mir aus Leder extra einen Finger gemacht. Alle standen um mich herum, und ich versuchte, die Murmel ins Loch zu stupsen. Beim Völkerball nutzen wir die Abschnitte im Straßenteer als Spielfelder. Und Kippel-Kappel! Ich hatte mir den Kippel selbst geschnitzt, ein Kantholz mit spitzen Enden, das wir mit einem Stock quer über die Straße schleuderten. Die Gegner mussten es fangen. Oder wir trieben uns einfach nur herum. Wir liefen zum Kellinghusens Park, wo ich meinen ersten Kuss bekam – mit sieben Jahren, von Egon Karp.

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